Text "Land des Espenlaubs" (Linus Reichlin)

Aus Ugugu
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Das Ausland beginnt für mich dort, wo die Leute aufhören, Schutzhelme zu tragen.Umgekehrt weiss ich, dass ich wieder in der Schweiz bin, wenn ich gesunde dreissigjährige Männer mit dem Schutzhelm auf dem Velo in die Migros fahren sehe. Oder wenn ich Leute sagen höre, es werde noch die Zeit kommen, in der die Helmpflicht auch für Trampassagiere gelte. Denn es kommt ja immer wieder vor, dass das Tram notbremsen muss, weil ein behelmter Velofahrer denkt: "Ich bin unverwundbar. Wie Siegfried. Schickt mir einen Drachen! Ich werde ihn töten. Und diese geile Frau da drüben, der imponiert sicher mein Schutzhelm. Ich werde mal knapp vor dem Tram nach links abbiegen, um ihr zu zeigen, dass Helm und Mut zusammen Helmut ergeben." Und schon füllen sich die Tramrinnen mit dem Blut von Helmut, und in seinem Suva-Helm liegt ein Teil seines Kopfs, wie eine halbe Melone in einer aerodynamischen Früchteschale.

Aber vorher wurden eben alle Trampassagiere durch die Notbremsung alle auf einen Haufen geworfen, und neun Monate später schaut man in das Gesicht eines Kindes, von dessen Vater man nicht weiss, ob er nur eine Tageskarte oder ein Regenbogen-Abo besass. Das Leben ist eine Mischung aus "Ich weiss nicht" und "Achtung!" Überall kann man sich den Kopf anschlagen, vor allem natürlich in einem Gebirgsland mit seinen vielen Kanten, Felsvorsprüngen und Steinschlägen. Ich sage immer: "Gebt mir zwanzig Leopard-Panzer, und ich bin in drei Tagen König der Schweiz." Die Bevölkerung wird beim Nahen der Panzer den Velohelm aufsetzen und unter dem Bett die Versicherung anrufen: "Hilfe, da schiesst einer mit Gewalt verherrlichenden Projektilen auf meine Schutzhelmsammlung. Bezahlen Sie das?" Nur ein paar Ex-Jugoslawen werden Widerstand leisten; sie sind ohnehin die Einzigen, die in diesem Land noch Mumm haben. Sie werde ich verschonen, aber der Rest wird ohne Schutzhelm in die Migros geschickt.

Die Überlebenden werden die Lektion gelernt haben: Gesellschaften, die die Dentalhygiene kennen und einen hohen Anteil an Schutzhelmträgern aufweisen sind etwas Ähnliches wie Gazellen, die in der Nähe eines Löwenrudels: a) sich selbst einen Strick ums Bein binden, b) einen Pfosten in die Erde hämmern, c) den Strick am Pfosten befestigen und d) dann rufen: "Löwen sind die grössten Arschlöcher, die auf eine fette, gefesselte Gazelle wie ich sich überhaupt vorstellen kann!"

Und jetzt zu Angelina Jolie. Auch sie betrachtet die Schweizer mit Skepsis, deshalb schläft sie auch nicht mit ihnen. Sie braucht richtige Männer, solche, die Schutzhelme für Feiglinge herstellen und damit Millionen verdienen, die sich aber gleichzeitig in Kolumnen verächtlich über die eigene Kundschaft äussern. Mit mir würde sie also schlafen, sie ist ja keine Rassistin. Sie hat nur meine Telefonnummer in Brad Pitts Hintern versteckt, und jetzt erst hat er's gemerkt. Aber man soll immer dann aufhören, wenn es am Unappetitlichsten ist.



Aus: 2006.12.07 Facts Nr. 49 - Kolumne