Text "Die Ballade von den Armen und den Reichen" (François Villon; Nachdichtung von Paul Zech)

Aus Ugugu
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Klaus Kinski rezitierte diese Ballade unter dem Titel ...


Text

Als Lazarus einst in der Asche hocken musste,
den Leib von Eiterschwären ganz entstellt;
wer von den treuen Nachbarsleuten wusste,
was Elend heisst? Sie lebten nur dem Geld
und rührten keinen Finger für die Armen.
Sie sagten: wen Gott straft mit harter Hand,
dem darf kein Christ sein Mitleid schenken und Erbarmen,
sonst macht der Mann Geschäfte mit dem Höllenbrand
allüberall, wo sich die Menschen drängen;
denn wer's lang hat, der lässt es auch lang hängen.
 
Sie wussten wohl, warum sie diesen Spruch
herunterschnurren, diese Seelenfänger
und Oberhäupter aller Kirchengänger,
sie standen bei den Armen nie in einem Wohlgeruch.
Sie lagen bei den Weibern vorn, bei Männern umgekehrt,
sie frassen Fleisch und liessen ihre Schäflein fasten.
Ich sah noch keinen Fürsten krank und abgezehrt,
sie darbten nie, sie soffen nur und prassten,
und zogen, wenn's nicht langte, an den Glockensträngen;
denn wer's lang hat, der lässt es auch lang hängen.
Alle fragten mich, woher ich denn das wisse,
da ich doch nie die höh're Philosophie
mit solchem Fleiss studierte so wie sie,
statt dessen aber in die schlimmsten Finsternisse
hinunterstieg und mich dem Satanas verschrieb
für einen schwülen Venusinen-Reim...
Ach ja, ich brachte manche lasterhaften Lieder heim
von meinen oft sehr angenehmen Gängen
als Schürzenjäger, Vagabund und Dieb;
denn wer's lang hat, der lässt es auch lang hängen.