Josef Kainz

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Österreichisch-ungarischer Schauspieler

geboren am 2. Januar 1858 in Wieselburg (Ungarn) als Josef Gottfried Ignaz Kainz, gestorben am 20. September 1910 in Wien

Die Wiener Eltern, Joseph Alexander Kainz und Mathilde (geborene Bernhard), waren Nachfahren niederösterreichischer Bauern; der Vater, der sich selbst im Schauspielberuf erprobt hatte, ehe er Bahnbeamter wurde, weckte und förderte bewusst das Talent seines Sohnes Josef Gottfried Ignaz Kainz. Nach vier Jahren Realgymnasium trat Kainz als Fünfzehnjähriger am Sulkowskitheater in Matzleinsdorf, einem privaten Übungstheater, erstmals öffentlich auf. Vorbilder waren ihm F. Krastel und C. Wolter vom Burgtheater, dessen Stehplatzbesucher er seit seinem 10. Lebensjahr war. Ein knappes Jahr nahm er Unterricht bei C. Kupfer-Gomansky.

Nachdem Kainz im Sommer 1875 nach einem Probespiel in Kassel als talentlos entlassen worden war, fand er in Marburg (Untersteiermark) als Liebhaber 1875/76 sein erstes Engagement, wurde dann 1876/77 von A. Förster an das Neue Stadttheater in Leipzig verpflichtet, wo er sich wegen seiner aufrührerischen Eigenwilligkeit nicht halten konnte. Seit dem glückhaften Eintritt in das Hoftheater in Meiningen 1877 strebte Josef Kainz mit äusserster Selbstdisziplin und fanatischem Arbeitswillen, seine mangelnde Bildung zu ergänzen und seine künstlerische Ausdruckskraft zu enfalten; er trainierte Körper, Geist und Sprache und fand so zu seiner hinreissenden, auf musikalischen Regeln aufgebauten Sprechtechnik. Als Phaon, Ferdinand, Melchthal, Karl Moor, Mortimer und Prinz von Homburg errang er bei den Meininger Gastspielen in den deutschen Städten immer mehr Anerkennung, die ihm nur Wien (Gastspiel 1879) noch versagte.

1880 folgte Josef Kainz dem Ruf E. von Possarts nach München, wo es zur freundschaftlichen Begegnung mit König Ludwig II. von Bayern kam, der Kainz vorübergehend seine Gunst schenkte. Mit der vielversprechenden Gründung des Deutschen Theaters 1883 in Berlin durch Haase, Förster und Barnay, bot sich Kainz's Genie die letzte Entfaltungsmöglichkeit. Meteorhaft wurde er zum Leitbild der jungen Generation, schuf Rolle um Rolle (Leon, Don Carlos, Romeo, König Alfons, Franz Moor, Hamlet, Richard III., Tasso, Cyrano) gegen die alten und neuen Strömungen des realidealistischen Monumentalstils und des Naturalismus, der Pathoskonvention, ein Revolutionär der Schauspielkunst wie sonst nur noch die Duse im romanischen Raum.

Nach fünf Jahren erlag er, auf dem die Last des ganzen Spielplans lag, der kassensicheren Serienaufführungen müde, den Lockungen L. Barnays, der ihn an sein neugegründetes Berliner Theater engagierte. Dort wurde er aus künstlerischer Enttäuschung - Barnay hielt ihn als Star neben einem letztklassigen Ensemble - vertragsbrüchig und daraufhin vom Bühnenverein ausgeschlossen. Vogelfrei trat er nun als Gast an untergeordneten Bühnen und als Vortragskünstler in Deutschland auf. Ein Amerikagastspiel gestaltete sich zu seinem persönlichen Triumph.

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Josef Kainz als Henri in Der grüne Kakadu

1892 rettete ihn L'Arronge, der seinet wegen aus dem Kartellverband ausgetreten war, durch ein neuerliches Engagement an das Deutsche Theater vor dem Alkoholismus und unbefriedigendem Virtuosentum. Es dauerte noch sieben Jahre, ehe ihn das Burgtheater, das Kainz zeitlebens als letztes Ziel vor Augen gestanden war, 1899 als Nachfolger Mitterwurzers holte. In zehnjähriger Spielzeit schuf er als k. u. k. Hofschauspieler noch 28 neue Rollen, darunter den Orest, Richard II., Mephisto, Shylock, Tartuffe, Oswald, Valentin, Dusterer, Grutz und entwickelte sich vom strahlenden Helden zum zwielichtigen Charakterdarsteller, zum Dämon des Bösen.

1909 tauchten Gerüchte auf, Kainz sei krank. Als er sich, widerstrebend, im Mai 1910 untersuchen liess, lautete die Diagnose auf Darmkrebs. Eine Operation brachte nur kurze Besserung. Bis zum letzten Atemzug beschäftigten den immer Ruhelosen neue Gastspielpläne, Übersetzungen (nicht gedruckt: Beaumarchais, Figaro, 1906 u. a.), Meditationen über das Wesen der Schauspielkunst, Malversuche, eigene epigonenhafte Dichtungen (Themistokles, 1902-1906; unvollendet: Absalom; Berenice; Saul). Nur der frühzeitige Tod brachte seiner von leidenschaftlichem Erkenntnisdrang besessenen Natur Ruhe.

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Totenmaske von Josef Kainz

Der Wiener Schauspieler Otto Tressler fertigte die Totenmaske an, die sich danach in den städtischen Sammlungen des Wiener Rathauses befand. A. Jaray schuf die Marmorbüste für das Burgtheater und die Hamlet-Statue im Wiener Türkenschanzpark. Josef Kainz war in erster Ehe mit der Dichterin Sarah Hutzler (1853-1893), in zweiter Ehe 1898 mit der Schauspielerin Margarete Nansen verheiratet. Er war ein universell gebildeter Denkschauspieler von vulkanischer Vitalität und nervöser Sensibilität. Kainz's Stimme war in allen Lagen gleich tönend und reichte bis zum hohen B, sein Körper war bis zur Ausdrucksfähigkeit jedes einzelnen Gliedes durchtrainiert. Als seine eigentliche Domäne sah er selbst das Kostümstück an. Josef Kainz war einer der grössten Schauspieler deutscher Zunge, ein ethoserfüllter Menschengestalter stärkster innerer wie äusserer Wirkung, ohne Vorbild und ohne Nachfolger. E. Hardt, P. Altenberg, A. Kerr und H. von Hofmannsthal verherrlichten ihn in Gedichten.

Bibliographie

Jahr Autor Form Titel Veröffentlichung Bemerkungen
1887 Josef Kainz (als "Kühnhold Wahr") Kritische Blitze eines forschenden Zuschauers
1897 Lord Byron Sardanapal Übersetzung und Bearbeitung durch Josef Kainz
1907 Beaumarchais Der Barbier von Sevilla Übersetzung und Bearbeitung durch Josef Kainz

Eine ausführliche Literaturliste findet sich im Österreichischen biographischen Lexikon 1815-1950, 3. Band (1965), S. 175