1994.09 Stiller Has CD "Landjäger"
Veröffentlichung | 1994.09.30 |
Künstler | Stiller Has |
Format | 5" silver compact disc |
Titel | Landjäger |
CDDB1 Disc ID | rock / c90bf80f |
Matrix | 394-2 14 A1 |
Plattenfirma | Sound Service |
Vertrieb | Sound Service |
Bestellnummer | CH: Sound Service 394-2 |
Produktion | Schifer Schafer, Stiller Has. - Arrangements: Schifer Schafer, Stiller Has |
Aufnahme | 1994.03.18.-23 Basel, Musikwerkstatt. - Tonmeister: Adriano Tosetto |
Abmischung | 1994 Bern, Grammo Records |
Mastering | Adriano Tosetto |
Musiker | Endo Anaconda (Stimme), Christof Bieli (Cello), Salome Buser (Bass, Stimme), Werni Erni (Trompete, Tenorsax), Daniel Gremaud (Posaune, Tuba), Balts Nill (Schlagzeug, Fussdrums, Perkussion, Banjo, Gitarre, Harmonium, Keyboard, Stimme), Schifer Schafer (Leitung; Gitarre, Perkussion, Banjo, Jazzpiano, Harmonium, Glockenspiel), Hans-Georg Schaub (Tuba, Piccolo), Andi Schneider (Altosax), David Studer (Trompete, Posaune), Martin Brodmann (Baritonsax) |
Hülle | Grafik: Hans Stalder. - Fotos: Th. Müller, Giovanni Waldner, Ruedi Steiner, Peter Schüler, Eduard Rieben. - Zeichnung im Heft: Urs Fozzi Bachmann |
Anmerkungen | Urban Gwerder: "Silent rabbitology" |
Charts | CH #45. - Ausserdem #4 in den Swiss Top Charts Top 20. - Das Soundcheck Rockbuch 94 kürt das Album zur "besten Schweizer CD 1994". |
Stücke
Ausgaben
Date | Artist | Format | Title | Order number | Notes |
---|---|---|---|---|---|
1994.09 | Stiller Has | CD | Landjäger | CH: Sound Service 394-2 | ohne EAN |
2003.01 | Stiller Has | CD | Landjäger | CH: Sound Service 394-2 | EAN: 7 619954 335969 |
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Vorderseite der 1994.09 Stiller Has CD Landjäger (CH: Sound Service 394-2)
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Rückseite der Stiller Has CD Landjäger (CH: Sound Service 394-2), Ausgabe 2003 mit EAN
Silent rabbitology
I
Schön, ist mir doch dank be-geisterter Maul-Würfe der Stille Has schon früh über den Weg gehoppelt - sowas bringt anarches Glück. Der Has schlägt Haken, hört mit grossen Löffeln, trommelt mit den Läufen, schnuppert am Gras (versprengter Hippie?), kopuliert oft und mit atemberaubender Schnelle ("vögeln" kann man ja bei Hasen schwerlich sagen, eher vielleicht "Bum-Zen"). Ähnlich der Ornithologie, Dylanologie oder Zappalogie ist daher die stille Hasenkunde - grad im Zeitalter von Luft & Lärm - eine höchst lustvolle und inspirierende Frei-in-der-Zeit-Beschäftigung für wache Geister mit offenen Ohren. Bitte sehr: erproben geht über studealen - ein dadalchimistisches Geheimnis welches viele teilen, die von den untergründig gestreuten Live-Auftritten miterlebt haben.
Bei mir sind es inzwischen deren 14 (7x3-D & 7xMC Stereo). Das regt an zu vergleichender Hasenforschung, denn jedes Konzert ist wieder etwas anders. Eigen-artig, un-artig (und doch Art / Kunst), schamlos und voll bewusst wird da alles was brauchbar auf der schrägen Ebene herumliegt wiederverwertet in einer comixartigen Tonbild-Schau von hoher Qualität. Zum eigenen Spass ("Wir machen einfach das, wozu wir Lust haben") jonglieren Endo Anaconda und Balts Nill mit ihrem Material, setzen es zu anderen Bildern zusammen, Publikumsschwingungen und eigene Stimmung färben sie um, sie können sich selbst übertreffen und selber überraschen, volldampf fährt die Leitlokomotive, spinnt neuen Faden. Wort- und Ton-Akrobatik, ab ohne Netz. "Wir machen uns über nichts lustig". Und wie!
II: Readymade in media
Erfrischend bissig, zum Heulen witzig und anders als die anderen / literarisch-musikalische Cartoons / Rockband ohne Band singt Heimatlieder ohne Heimat / der Hasen-Spielzeugrock wird erzeugt / Zimmermusik und Rockklamauk ohne langweilige Materialschlachten / handgepäckmässig / perkussive Abfall-Verwertung und ausdrucksstarker Gesang / Tierisches Erlebnis garantiert / Aber still ist dieser Has mitnichten / der wild drauflos Verse schmiedet, mit ungebrochener Lust am Fabulieren und Stabreimen, am sprachlichen Witz und an der Bilderflut der Seele / Auf der Bühne, wo das mimische und gestische Element hinzukommt, wo spontane Improvisation ausbricht, da tönt und wirkt das ohnehin nochmal anders, lebendiger, verrückter; da wird manch eines der Lieder wild durcheinander gebracht, neu verknüpft / Die wohl intellektuellste, aber gleichzeitig humorvollste und spielerischste Schweizer Band des Moments
III: Volks- und Heimatkunde / Ahnentafel (analytical rabbitology)
Eigenständig und schöpferisch kurvt der Stille Has mit seinem Kabarollbrett zwischen Urknall und "The end" herum, ein eleganter Metaphern-Surfer in Wort und Weise. Mit ungewohnten Bildern vermag er Denkkrusten aufzubrechen, Wahrheiten neu treffend aufs Tapet zu bringen. Vielschichtig, doppelbödig, ein meerdimensionales Vergnügen für Mondmatrosen. Dem schwarzen Lachen (humour noir) auf den Schaumkronen wird zur Ehre verholfen. Da sind aber auch Verwandtschaften, ist eine besondere Art von untergründiger Tradition hör- und spürbar.
Laut den Erkenntnissen der stillen Hasenkunde zählen zu den seltenen Kleearten im Hasenfutter u. a.: Dada - Expressionismus - Wiener Gruppe (Artmann, Bayer & Co) - The Fugs (punkrockige Beat-Dichter der 60er) - Attersee (abgefahren singender Wiener Kunstmaler) - Finnegans Wake (nie wieder!) ... aber auch einheimische Sorten wie: Poëtenz (Urban Gwerder & Telllife-No-mads 1966-67) - DichteR Lesung (Anton Bruhin 1976-78) - Taxi (ZH Mundartrocker 1977) - Berner Rock: bäähhh!... dafür sind sie echte Mani Matter Erben. Musikalisch: Rock / Improvisation / Musik der Welt ("Raga" ist doch keine Automarke) / Tannzapfen / Vögel.
IV
5 Jahre sind sie schon unterwegs in stiller wilder Hasigkeit, der Songpoet Endo Anaconda und der multi-instrumentale Soundmaler Balts Nill, ein wellenlängenmässiges Ideal-Duo, und noch immer funktionieren sie via Mundpropaganda, Maul-Trommel der verwandten Geister. Was könnte es in diesem Fall schöneres geben als diese intime Kleinraum-Direktheit, mit irgendwo zwischen 30-300 Leuten (Restaurants, autonome Kulturzentren, Kleintheater usw.). Der Stille Has weiss das genau, es gehört zum Konzept. "Gibt es doch für waschechte Hasen keine grössere Gefahr, als von den falschen Leuten entdeckt zu werden." Stand einmal im Konzertprogramm vom Chrämerhuus in Langenthal. Engagiert, provokativ, anspruchsvoll und bewusst wie die beiden (um die 40jährig) drauf sind, ist dies kaum mehr zu befürchten. Würden sie doch damit genau ihre Qualitäten vor die Säue werfen, und ihren eigenen Spass an der Sache schmälern.
Item, vorliegende CD Landjäger ist vielleicht - verglichen mit ihrer MC Stiller Has (1989) und der CD Der Wolf ist los (1991), beide im Vertrieb von Zytglogge Verlag Bern - ihr "volkstümlichster" Tonträger, eher etwas zurückgehalten im Ausdruck, dafür eine liederbuchmässig festgehaltene Studio-Version, eine der möglichen (mit Gast-Musikern), aus ihrem weitgefächerten Repertoire. Wenn es nach mir ginge, so sind mindestens 3 Hits drin enthalten, nämlich: "Intercity", "Garbage lady" und "Gäge d Bärge"... Klar, ist die besondere Bühnen-Choreographie, der stämpfelnde Hasencharme und Federlwedel so nicht reproduzierbar; der intensive, of fast ekstatische Gesang wäre nicht studiogemäss ("tun als ob"). Hingegen das musikalisch / kompositorisch Inspirierte und die sprachlich / dichterisch starken Momente sind da, die geflügelten Worte aus dem Wörtersee. Bereits hat der Has Eingang gefunden in die private Insidersprache, langsam den einheimischen Slang unterwandernd...
(Das wäre eine Extra-Untersuchung wert: wie ein Abwart zum "Hene" wird, in entsprechend ulkigen Situationen "es Jöbli füre Hene" die Bezeichnung ist, oder "Geh weida Bua...", ich / er / sie "fliegt noch immer da oben herum", "...ja so vergeht die Zeit", "Gruusig, gruusig - no es Täller!" - und wie solche Sätze durch eingeweihtes Zitieren doppelbödig neue Bedeutung erhalten.) Und überhaupt. Elvira!
Also: kommt ein Haserl geflogen... stellt eure Löffel!
Balts, mir gfallts.
Endo gut, alles gut.
Aber i bin ja nur eine kleine Haseli... Urban Gwerder, Doc hc Kuss
Bemerkungen
- Endo Anaconda und Balts Nill werden auf diesem Album vom "Werkstattorchester" unterstützt, bestehend aus: Christof Bieli, Salome Buser, Werni Erni, Daniel Gremaud, Schifer Schafer (Leitung), Hans-Georg Schaub, Andi Schneider, David Studer und Martin Brodmann. Bei der "Werkstatt" handelt es sich um die Musikwerkstatt Basel.
- Auf der Hülle aufgeführte Dankesworte: "Mit Unterstützung von Stadt und Kanton Bern. Spezieller Dank an Musikwerkstatt Basel, Christoph Müller und Urban Gwerder."
- Mit diesem Album schaffen Stiller Has den sogenannten "Durchbruch" - nicht ganz unschuldig daran wohl der Popel-Song "Gruusig"... Sie stossen erstmals in die Schweizer Album-Hitparade vor und belegen am 19. Februar 1995 eine Woche lang Platz 45. Bereits im November 1994 war die Platte in die Swiss Top Charts Top 20 eingestiegen, belegte dort im Dezember 1994 Platz 10, dann nacheinander die Plätze 5, 5, 4, 9, 5, 5, 9 und im August 1995 zum letzten Mal Platz 9. Vom "Soundcheck Rockbuch 94" wird die Platte gar zur "besten Schweizer CD 1994" erkoren.