1961.03.08 Der Spiegel Nr. 11 S. 11-13 "Schauermann"
(Nr. 9/1961, Unterhaltung)
Ihr Bericht über den Nikolaus Kinski war mir aus dem Herzen geschrieben. Bedauerlich daran ist nur, dass eine Besprechung im Spiegel ganz im Sinne dieses Herrn liegt. Vielleicht sollte man diesen Schreihals ganz einfach totschweigen.
GÜNTHER KOPPE cand. phil. (Giessen)
Es ist erschütternd, zu sehen, wie unsere Jugend, die akademische vor allem, diesem Rattenfänger verfällt und ihm hingerissen durch den letzten Schmutz von Villon und Gleichgesinnten folgt. Es wäre ein Verdienst, wenn Ihre Titelgeschichte einigen dieser Verzückten die Augen öffnete.
HELMUT IHLENBURG (Hamburg 20)
Ich beneide Herrn Kinski um die Skala seiner Motionen und die Fähigkeit, viehisch zu fühlen. Mein Vorschlag: Er möge sich einmal in einen Ochsen hineinversetzen. Ob er dann wohl etwas merkt?
ALFRED WILHELM (Frankfurt)
Sie haben O. W. Fischer nur zur Hälfte zitiert. Er sagte über Kinski auf dessen Frage nach seinen künstlerischen Fähigkeiten: "Du bist ein gottbegnadeter Künstler, Du bist ein Genie, vielleicht das einzige heute unter uns, aber ... meschugge." Ich glaube, Sie haben die Urteilsfähigkeit Fischers falsch eingeschätzt.
RUDOLF WINNE (Düsseldorf)
Für einen derart in Selbstgefallen schwelgenden Popanz sollten sich genügend Streiter finden, die ihm die Worte des Neuen Testaments verwehren.
KLAUS ENGLER (Hannover)
Apropos Bibel: Traurig genug, dass der Komödiant zum Pfarrer werden muss!
KARL BERGER (Bonn)
Ihre Veröffentlichung war der bisher grösste Versager; bedauerlich!
MANFRED BRENNECKE (Kassel)
Es ist tröstlich, zu wissen, dass das "Trunkene Schiff" auch gegen die Libido des sabbernden Nakszynski immun ist. Unerfindlich hingegen, dass der Versekotzer trotz Paragraph 183 StGB* öffentlich Lyrik masturbieren darf.
WOLFGANG VON LINDE (Braunschweig)
* "Wer durch eine unzüchtige Handlung öffentlich ein Ärgernis gibt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Gelstrafe bestraft."
Und was bei allem besonders bedenklich stimmt, ist die fragwürdige Haltung einer gewissen kritik- und verantwortungslosen Journaille, die alles gutheisst, was dem Bedürfnis der sensations- und novitätenlüsternen Masse Mensch entgegenkommt.
ERWIN DRINNEBERG (Heidelberg)
"Wenn er bloss das Zeug aufsagte, das die Autoren verfasst - Allmächtiger!" schrieb Alfred Kerr. Nicht von Klaus Kinski, sondern über den grossen Max Pallenberg, Meistermime bei Reinhardt in Berlin. Pallenberg leistete sich annähernd die gleichen Extravaganzen wie Kinski, er modelte nahezu alle Texte um, gebärdete sich auf der Bühne wie ein Rasender; "es ist erstaunlich, dass er nie in Beleidigungsprozesse verwickelt war", sagte Hans Tasiemka, sein langjähriger Freund. Und hier wie bei Kinski: "letzte Beseeltheit oder letzte Gefallsucht", fragte wiederum der weiss Gott nicht zimperliche Kerr.
Gewiss, zwischen Max Pallenberg und einem Klaus Kinski ist künstlerisch kein rechter Vergleich statthaft. Aber: Soll man den Hang zur Textimprovisation, ein exzentrisches, derbes, obszönes Gehabe und das Zusammenspiel von darstellerischem Trieb und Eitelkeit zum Kriterium für einen Rezitator machen? Gilt für Kinski nicht eben das, was Alfred Polgar an Pallenberg imponierte: "Er hat (dem Publikum) das Gesicht weggewischt, mit dem die Fratze überpinselt war!"
RÜDIGER HESSE (Dortmund)
Das stimmt nicht, dass Kinski zuerst im "Quartier Bohème" rezitierte. Er tat das in meinem Lokal "Hexenküche" in Berlin. Und ich habe ihm überhaupt erst die ganze Idee, zu rezitieren, gegeben. Ich wollte, dass er bei mir auftreten sollte. Er fragte: "Womit?" Ich sagte: "Rezitieren Sie." Er fragte: "Was?" Ich: "Na, zum Beispiel Villon und Rimbaud." Das tat er dann auch, bis ich krank wurde und nicht in mein Lokal kommen konnte. Er schlug in meiner Abwesenheit einen Gast vor den Bauch, man holte die Polizei, Kinski rannte weg, durch die Küche, zertrümmerte die Gläser durch einen Sprung und beschädigte die Mauer. Dann engagierte ihn erst das "Quartier Bohème".
VALESKA GERT (Paris)
Wenn "Grausamkeit nichts anderes als die menschliche Energie ist, an der die Zivilisation noch nichts zu verderben vermochte" (Marquis de Sade), so wird derzeit viel "Unverdorbenes" auf Bühnen geboten: Krächzen statt Singen, Obszönes statt Charakterdarstellung, Snobistisches statt Künstlerisches. Welch ein Beweis für Wohlerzogenheit, dass Erfolgsbrüller Kinski im Foyer noch nicht gelyncht worden ist.
WILLI BEHRENWALDT (Wiesbaden)
Normalerweise ist es so, dass sogenannte "psychiatrische Fälle" in einer Nervenklinik Aufnahme und Behandlung finden.
HORST BREMSHEY (Berchum, Westf.)
Autoren: verschiedene