Text "Die Ballade vom Computer pX" (Franz Hohler): Unterschied zwischen den Versionen

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Aus dem Programm <i>Die Sparharfe</i> (1967).
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: Der Computer pX in den äusseren Staaten
 
: tat all das, was andre Computer auch taten:
 
: Er rechnete Brüche, berechnete Kosten
 
: und ging theoretisch weiss was alles posten
 
: jonglierte mit Defizits, Budgets und Spesen
 
: verrechnete Fett, kalkulierte Chinesen
 
: erweiterte Sätze von Gauss und Bernoulli
 
: erfand einen eisbärensicheren Pulli
 
: samt Ellbogenschoner für Schmetterlinge
 
: und viele andere, nützliche Dinge
 
: durchbohrte die Anden, verjüngte Greise
 
: und drehte gefangene Taranteln im Kreise
 
: addierte die Zeugungskraft aller Putter
 
: kurz, war ein solider und guter Computer.
 
: Nur etwas war heikel, und das war genau:
 
: Der Mann der ihn fütterte war eine Frau.
 
: Eine Frau, eine Frau, eine Frau, eine Frau, eine Frau.
 
: &nbsp;
 
: Name: Zeller
 
: Vorname: Elisabeth
 
: Beruf: Dr. math.
 
: Grösse: 1,58
 
: Augen: schwarz
 
: Haare: mattbraun
 
: Zivilstand: ledig... ledig... ledig... ledig...
 
: &nbsp;
 
: Der Computer war auch nur ein Mensch wie wir alle
 
: und ging dieser Fülle an Reiz in die Falle.
 
: &nbsp;
 
: Bald zitterte er bis zur innersten Niete
 
: wenn ihr Antlitz auch nur schon von weitem erblühte
 
: und wenn sie ihn zarten Gelenkes berührte
 
: ein neues Problem in den Rachen ihm führte
 
: dann knackt' ihm das Eisen vor innerem Glück
 
: und Sätze wie folgender kamen zurück:
 
: &nbsp;
 
: "Epsilon achzehnter, n-ter und q-ter.
 
: Herzliche Grüsse, Ihr Computer."
 
: &nbsp;
 
: Dies lesend, machte Elisabeth Zeller
 
: Augen wie kleinre Dessertteller
 
: verspürte ein Gruseln mittlerer Lage
 
: und las dann die Antwort zur nächsten Frage:
 
: &nbsp;
 
: "Kein Ergebnis mit Jod und Amino.
 
: Kommen Sie heute mit mir ins Kino?"
 
: &nbsp;
 
: Verehrung ihn Ehren, doch eine Maschine!
 
: Elisabeth las mit erbleichender Miene:
 
: &nbsp;
 
: "pi 15 pro Tonne kanadischer Eicheln.
 
: Montieren Sie mir einen Greifer zum Streicheln!"
 
: &nbsp;
 
: Die Frau überlief's, das fand sie nun schändlich
 
: dann wurde er vollends unmissverständlich:
 
: &nbsp;
 
: "8 Sigma, 0 14, HG eines Stücks.
 
: Ich liebe Sie. Yours, for ever, pX."
 
: &nbsp;
 
: Da verlor Fräulein Doktor ganz plötzlich die Fassung
 
: und bat den Direktor um Ihre Entlassung.
 
: Bloss zwei Tage später stand sie am Abend
 
: die Arbeitseffekten schon eingepackt habend
 
: zum letzten Mal vor dem Balzautomaten
 
: rekapitulierte nochmals dessen Taten
 
: und schüttelte düster den mattbraunen Kopf
 
: Da leuchtete plötzlich der Antwortknopf:
 
: &nbsp;
 
: "Bitte kriechen Sie mir ins Getriebe.
 
: Ich sehn mich so nach ein bisschen Liebe."
 
: &nbsp;
 
: Sie wusste beinahe nicht, wie ihr geschah
 
: doch pX stand so traurig und greiferlos da
 
: und zuckte so einsam mit Zeigern und Zählern
 
: geschunden von wissensbegierigen Quälern
 
: so frierend in chromstahllegierter Verschalung
 
: so bar jeden Schmucks und jeder Bemalung
 
: so freudlos und plump, und walfischhaft nackt
 
: dass sich Fräulein Zeller, von Mitleid gepackt
 
: in plötzlicher Regung die Röcke schürzte
 
: und in des Computers Hauptöffnung stürzte!
 
: &nbsp;
 
: Ein Blitzen von Lichtlein, Kontakte, die summen -
 
: und dann ein behagliches, nachtlanges Brummen.
 
: &nbsp;
 
: Der Computer jedoch blieb seither vernichtet
 
: und auch Fräulein Doktor ward nicht mehr gesichtet.
 
 
 
 
 
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Aktuelle Version vom 10. April 2009, 19:42 Uhr


 

 

 

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