1991.11.27 Basler Zeitung S. 41 "Was die Leinwand hergab"

Aus Ugugu
Version vom 17. Oktober 2006, 19:01 Uhr von Michi (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Zum Tod von Klaus Kinski

Was die Leinwand hergab

"Fuck you! Ich habe euch nichts zu sagen", kanzelte er gewöhnlich Journalisten ab und posaunte dennoch sein ganzes Leben lang seinen Gemütszustand in die Welt hinaus. Klaus Kinski war ein dem Kleinbürgertum Entkommener, der zum hochdotierten Weltstar aufgestiegen war. Seine Lieblingsrolle: das Genie. Als Klaus Gunther Nakszynski am 18.10.1926 in Zoppot geboren, kam er als Emigrantenkind nach Deutschland, wo er sich früh beim Theater rumtrieb und, nach Engagements in der Provinz, in Berlin als die Hoffnung des deutschsprachigen Theaters galt. Anfang der sechziger Jahre fuhr er allein mit einer Handvoll klassischer Monologe durchs Land und wusste als "Dämon der Sprache", wie ein Kritiker schrieb, sein Publikum zu erschrecken oder zu erschüttern. Bereits damals war er einem kreischenden Narzissmus verfallen, suchte in den vielfältigen Verkleidungen des Schauspielers immer nur sich selbst zu spielen, spielte dabei am liebsten den Schwierigen. Im Sog eines frühen Starrruhms trieb Kinski dermassen Raubbau an seinen künstlerischen Kräften, dass ihm der damalige sieche deutsche Film nur Rollen in der Edgar-Wallace-Serie bot. Da wurde er zum augenrollenden, hauchenden, böswilligen Stammgast. Diese zum Markenzeichen gewordenen Manierismen konnte er fortan in anspruchslosen Abenteuerfilmen internationaler Herkunft und in Spaghetti-Western austoben, von denen Leichen pflastern seinen Weg am nachhaltigsten haftet. Ehe er mit Sergio Leone drehte, hatte er auf seine zugleich arrogante wie vulgäre Art Angebote von Fellini, Pasolini und Visconti wegen zu geringer Gagen abgelehnt. Die künstlerische Wende brachte Kinski erst der grüblerische deutsche Autorenfilmer Werner Herzog, in dessen Werken Aguirre, Nosferatu, Woyzeck und Fitzcarraldo Kinski lebte und litt. Herzog forderte den Exzentriker dermassen, dass die beiden sich buchstäblich vor und hinter der Kamera prügelten. Der Star drehte alles, was die Leinwand hergab, und liess auch sonst nichts aus; der Vater zweier Töchter und eines Sohns breitete in diversen Büchern sein Sex-Leben in Illustriertenmanier aus. Klaus Kinski gelang es schliesslich, die Grenze zwischen Spiel und Leben aufzuheben, er war, seinem Bild getreu, in Rom, Paris und Amerika zu Hause, ein Weltbürger, der in vielen Sprachen radebrechte und in Fernsehtalkshows rund um den Erdball fuchtelnd, rauchend, vorlaut versuchte, sein Innerstes nach aussen zu kehren. Vergangenen Samstag starb der solchermassen frühvergreiste Schauspieler in Los Angeles eines natürlichen Todes.



Autor: Michael Fischer