Boleslaw Barlog
Filmographie | Opern |
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geboren am 28. März 1906 in Breslau
Boleslaw Stanislaus Barlog war der Sohn eines katholischen Rechtsanwaltes aus Breslau. In Berlin besuchte er die Körner-Oberrealschule bis zur Obersekunda und absolvierte, von klein auf ein Büchernarr, eine Buchhändler- und eine kaufmännische Lehre. Danach wandte sich Barlog dem Theater zu und arbeitete bis 1933 als Regieassistent bei Karl Heinz Martin und Heinz Hilpert an der Berliner Volksbühne. Mit dem Machtantritt der Nazis 1933 kam es zum Karrierebruch. Barlog schlug sich unter anderem als Hilfsbademeister im Freibad Wannsee, dann als Mitarbeiter des Olympia-Komitees 1936 in Berlin durch, bis ihm der Zugang zum Film möglich wurde und er von 1937 als Regieassistent unter Robert A. Stemmle, Wolfgang Liebeneiner und Helmut Käutner bei Ufa und Terra arbeitete. 1940 wurde er als selbständiger Regisseur (u. a. Unser kleiner Junge, Wenn die Sonne wieder scheint und Junge Herzen) tätig.
Im Herbst 1945 soll Boleslaw Barlog gewissermassen "im Handstreich" die alten, zu Vorstadtschuppen verkommenen Wrangel-Lichtspiele in Steglitz an sich gerissen haben. Er holte Schauspieler zusammen, eröffnete am 3. November 1945 das Schlosspark-Theater und begann, während die Leute Briketts mitbrachten und in Decken sassen, von Shakespeare bis hin zu amerikanischen und russischen Komödien alles zu spielen, was damals als spielbar gelten konnte. Curt Götz' Hokuspokus machte den Anfang im vom britischen Kulturoffizier Brewster S. Chamberlin belächelten "Lokaltheater". Ein weiteres Stück war Der Widerspenstigen Zähmung, worin Klaus Kinski eine Nebenrolle erhielt. Klaus Kinski erinnerte sich an dieses Engagement:
Ich spreche am Berliner Schlossparktheater vor. Ich lüge so unverschämt, dass ich behaupte, den Hamlet dargestellt zu
haben, obwohl ich das Stück gar nicht kenne. Ich weiss nicht, ob mir jemand glaubt. Barlog engagiert mich nach dem ersten Vorsprechen. Die erste Person, die ich darzustellen habe, ist die des Pagen im Vorspiel zu Der Widerspenstigen Zähmung. Dieser Page hat nichts anderes zu tun, als in Frauenkleidung den besoffenen Kesselflicker festzuhalten, damit er sich aus der Loge die Aufführung ansieht. Während dieser verblödeten zwei Stunden muss der Page ihm die Schnapsflasche aus den Händen reissen, sobald der Kesselflicker daraus saufen will. Natürlich ist das kein wirklicher Schnaps, nicht mal Fusel, sondern irgendeine warme Plärre. Irgend so ein Piss-Getränk. Nicht einmal Coca Cola. Nach einem vollen Monat habe ich es dick. Ich fülle Steinhäger in die Pulle. Jedesmal, wenn ich sie dem Kesselflicker weggerissen habe, nehme ich einen tiefen Schluck. Wenn die halbe Vorstellung vorbei ist, bin ich bereits besoffen... fange an zu feixen, torkle, aus der Pulle saufend, auf der Bühne herum und trete in den dämlichen Souffleurkasten. Der Vorhang fällt. Hinter den Kulissen werfe ich Barlog die leere Pulle hinterher, weil er mich zur Rede stellt. Morgens um fünf wache ich auf einer Bank am Bahnhof Zoo auf. Wie ich hierher gekommen bin, weiss ich nicht. Jemand fummelt an mir herum. Ich schubse ihn weg. Die alten Leute sagen, dieser Winter sei der grimmigste seit Jahrzehnten. Das Thermometer sinkt bis unter 28°. Ich habe noch immer keinen Mantel, und Barlog scheint das auch egal zu sein. Er ist, wie all die grässlichen Schauspieler, gut eingemummelt und hat immer eine grosse Thermosflasche und belegte Brote dabei. Er bekommt die beste Lebensmittelkarte, Nr. 1. Ich kriege die schlechteste, Nr. 3. Zu Hause kann ich nicht mehr übernachten. Wir decken uns mit Lumpenfetzen zu, mit Zeitungspapier und Pappe, Stoffstreifen um Hände, Füsse und Kopf. Wir haben noch immer keine Fensterscheiben, und der eisige Wind pfeift Tag und Nacht ins Zimmer; es schneit ins Bett und in unsere Gesichter. Als ich heute Abend mit der ungeheizten Strassenbahn zum Theater fahre, weine ich. Es ist nicht meine Armut, wegen der ich weine, auch nicht der Schmerz, den mir der Eisklumpen verursacht hat, der, durch das Loch in meiner Schuhsohle gepresst, sich um meinen nackten Fuss verkeilt. Es ist die Wut, die ich gegen dieses Theatergesindel habe. Der Hungerlohn, den mir Barlog zahlt. Mit dem ich nicht einmal das bisschen Fressen kaufen kann. Nach der Vorstellung verstecke ich mich im geheizten Theater und schlafe auf zwei Stühlen in der Garderobe. Der Portier verpfeift mich nicht. Aber als Barlog von irgendeiner Drecksau erfährt, wird es mir strengstens untersagt. Quelle: 1991 Klaus Kinski Buch Ich brauche Liebe S. 83-84
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Barlog war so erfolgreich, dass man ihm die Intendanz des 1943 zerstörten, wiederaufgebauten Schiller-Theaters in Charlottenburg antrug, das im Januar 1951 mit einer Wilhelm Tell-Aufführung eingeweiht wurde. Danach gliederte Barlog das Schlosspark-Theater als Kammerspiele dem Schiller-Theater an und entwickelte die - 1959 um die Werkstatt des Schiller-Theaters (Studio) erweiterten - Berliner Staatlichen Schauspielbühnen nach Absicht des einstigen britischen "Kritikerpapstes" Kenneth Tynan in den 1950ern zu den besten Theatern der Welt. Barlog liess Fritz Kortner als legendär geltende Inszenierungen machen und gewährte Erwin Pscator freie Hand, führte Schauspielergrössen wie Käthe Dorsch, Grete Mosheim, Werner Krauss und Leonhard Steckel, Charakterdarsteller wie Bernhard Minetti, Martin Held und Klaus Kammer zu Triumphen. Auch Berta Drews, Heidemarie Theobald, Carl Raddatz, Ernst Deutsch und Erich Schellow gehörten zu seinem Ensemble, das als eines der bedeutendsten im Nachkriegsdeutschland galt.
Ohne etwas von "intellektuellen Spielereien auf der Bühne" zu halten, war er erfolgreich vor allem mit zeitgenössischen Stücken des psychologischen Realismus und einer der ersten, die Samuel Beckett in Deutschland spielten, wobei er diesen auch Regie führen liess. Als unvergessen gelten die Inszenierungen von Warten auf Godot, Das letzte Band und Endspiel u. a. mit Martin Held, Ernst Schröder und Horst Bollmann. Ebenso wird Boleslaw Barlog als Entdecker von Edward Albee (Wer hat Angst vor Virginia Woolf?), John Osborne (Blick zurück im Zorn) und Dylan Thomas (Unter dem Milchwald) für das Welttheater geschätzt, Stücke, die er selbst inszenierte und die ebenso im Gedächtnis blieben wie Zuckmayers Hauptmann von Köpenick und Des Teufels General oder Das Tagebuch der Anne Frank und Jean Genets Der Balkon. "Wir fanden", sagte Friedrich Luft, der Kritiker damals, "oft seinen Spielplan zu bildungsbürgerlich, zu wenig progressiv, oft sogar zu betulich. Wir irrten - wie so oft." Der 1963 zum Generalintendanten ernannte "Theaterquirl" (Luft) brachte auch als erster Feydeau in Deutschland wieder auf die Bühne und inszenierte Opern, darunter Verdis Rigoletto, Mozarts Don Giovanni und Puccinis La Bohème.
Nachdem Boleslaw Barlog dem Westberliner Theatergeschehen mit über 100 Inszenierungen 27 Jahre lang seinen Stempel aufgedrückt hatte, verabschiedete er sich 1972 als dienstlängster Generalintendant. Sein Nachfolger wurde Hans Lietzau. Doch Barlog blieb der Bühnenarbeit treu, stellte sich ab 1981 regelmässig als Regisseur bei den Schloss-Festspielen in Ettlingen zur Verfügung und studierte 1986 George Bernard Shaws Helden im Schlosspark-Theater Berlin ein. 1993 musste Barlog miterleben, wie das Berliner Abgeordnetenhaus die endgültige Schliessung des Schiller-Theaters kurz vor dessen 100. Jubiläum beschloss. Boleslaw Barlog wurde vielfach ausgeziechnet und ist seit 1963 Mitglied der Berliner Akademie der Künste und ausserdem Besitzer einer grossen Plattensammlung von Werken bedeutender Dirigenten.
Theater-Inszenierungen
Filmographie
Jahr | Filmtitel | Produktion | Regie | Rolle | Bemerkungen |
19 |
1941 Unser kleiner Junge 1941 Kleine Mädchen - grosse Sorgen Seinerzeit, zu meiner Zeit 1943 Wenn die Sonne wieder scheint 1944 Junge Herzen Der grüne Salon 1945 Tierarzt Dr. Vlimmen [nie aufgeführt, da Negative verbrannt] 1949 Wohin die Züge fahren
Bibliographie
- Theater lebenslänglich / Boleslaw Barlog. - München : Universitas, 1981. - 430 S. : Ill. ; 24 cm
ISBN 3-8004-1003-6