Text "Confederation Crash für die Unterstufe" (Linus Reichlin)

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<a name=05>"Confederation Crash" für die Unterstufe]]

[08.01.1998 Die Weltwoche Nr. 2. - "Moskito"] Thema Nr. 1: Endlich tritt die Schweiz einmal als Trendsetterin auf! Ich rede vom sogenannten "Pasting". "Pasting" ist mit dem Bungee-jumping verwandt, nur dass man sich nicht in den Abgrund, sondern in die Vergangenheit stürzt. Nachdem wir uns vergangenes Jahr hauptsächlich in der Zeit von 1939 bis 1945 aufgehalten haben, reist die Nation nun noch ein Stück weiter zurück und beschäftigt sich intensiv mit 1848. "Pasting" macht Spass und kann im Prinzip bis zur jüngsten Eiszeit weitergeführt werden. Das sollte aber schrittweise geschehen, denn der Schweizer ist Neuem gegenüber nie besonders aufgeschlossen und muss mit einer ihm noch fremden neuen vergangenen Epoche peu à peu vertraut gemacht werden. 2001 werden wir uns also zunächst einmal im Jahr 1291 versammeln, dort in Bierzelten ein wenig verweilen und uns innerlich auf den Sprung ins Jahr 8400 v. Chr. vorbereiten. Um diese Zeit herum wurde die Schweiz erstmals besiedelt. Dort gibt es also viel zu erleben und zu bestaunen. Wir werden es uns in den Pfahlbauten bequem machen und gelassen der Zukunft entgegensehen.

Thema Nr. 2: Mein Beitrag zum "Pasting" 1848: "Confederation Crash", ein Computerspiel für 1 bis 4 Spieler. Ich habe es im Auftrag der Zürcher Erziehungsdirektion entwickelt, welche sich zum Jubiläumsjahr etwas "Poppiges für die Jugend" wünschte. Das Spiel richtet sich aber generell an alle, die in der Mehrsprachigkeit unseres Landes keine Chance, sondern eine Zumutung sehen, und sich immer wieder darüber ärgern, dass man in der ohnehin schon schmalen Schweiz keine 200 Kilometer weit reisen kann, ohne irgendein fremdes Idiom gaggsen zu müssen, schlimmstenfalls Französisch (eine Sprache für Leute, die sich die Füsse parfümieren). Die Spieler wählen zuerst eine Sprachregion und die entsprechenden Bundesräte. "Deutsch" setzt Leuenberger/Ogi ein, "Französisch" Delamuraz/Dreifuss; "Italienisch" und "Romanisch" haben je nur einen Bundesrat, der aber über einen Massiv-Attack-Bonus und doppelte Lebenspunkte verfügt. In "Confederation Crash" kann jeder Bundesrat per Mausklick in drei verschiedene Stadien versetzt werden, "Diplomat", "Persischer Elefantenschütze" und "F/A-18"; Cotti kann zusätzlich als "Heiliger Krieg" eingesetzt werden. Wenn nun "Deutsch" zum Beispiel Lausanne bombardieren muss, um in die Region Genf vordringen zu können, klickt der Spieler auf Ogi, wählt die Option "F/A-18" und plaziert Ogi über dem Lausanner Hauptbahnhof. Sieger ist, wer alle anderen Sprachen eliminiert und den Erzbischofssitz in Vaduz zerstört hat.

Thema Nr. 3: Brief der Erziehungsdirektion ­ sie sind mit meinem Spiel gar nicht glücklich. Besonders wird bemängelt, dass Cotti, Option "Heiliger Krieg", gegen "Deutsch" selbst dann gewinnt, wenn Leuenberger und Ogi als Geschwader eingesetzt werden. Das vermittle der Unterstufe ein völlig falsches Bild der tatsächlichen Kräfteverhältnisse. Ausserdem stecke in dem Spiel ein Fehler: Wenn man für Delamuraz "Diplomat" wähle, wechsle der Computer von sich aus zu "Persischer Elefantenschütze". Ich werde daran arbeiten, einverstanden?


<a name=06>Der grösste Johann aller Zeiten]]

[09.09.1999 Die Weltwoche Nr. 36. - "Moskito"] Immer wieder fragen mich die Leute: "Und was halten eigentlich Sie von Goethe?" "Nun", sage ich jeweils, "der Mann ist tot. Jetzt muss man sich fragen, wie es dazu kam." "Das weiss man ganz genau", sagen die Leute, "er starb im Bett." "Dann ist ja alles in Ordnung", sage ich und will gehen. Aber die Leute rufen: "Sie können also nichts mit ihm anfangen?" "Doch, doch", sage ich, "Faust, sehr schön, vor allem der Schluss. In der Mitte hängt es ein bisschen durch." "Der Faust", sagen die Leute und betonen jedes Wort, "ist eines der grössten Werke der Weltliteratur!" "Kann sein, aber in der Mitte", beharre ich, "gehen die Zuschauer immer raus." "Ja um Himmels willen", rufen die Leute, "Sie meinen die Theaterpause!" "Ich meine nur", sage ich, um die Leute zu beruhigen, "dass wir unseren Kindern wieder mehr von Goethe erzählen sollten.

Zum Beispiel, dass er sich in den Ferien in Italien nicht auf den Boden geworfen und so lange herumgekreischt hat, bis man ihm den verdammten Dinosaurier-Schwimmgurt kaufte!" "Sie weichen vom Thema ab", sagen die Leute und fügen hinzu: "Es ist kein Verbrechen, wenn einem Goethe nichts bedeutet. Sie kennen dann wahrscheinlich eher diesen... Arnold Schwarzenegger?"

"Goethes Altersperiode", sage ich schnell, "begann ja laut Lexikon mit dem Sturz Napoleons. Es ist für mich ganz wichtig, das zu wissen." "Und warum?", fragen die Leute argwöhnisch. "Weil die Altersperiode von uns Normalsterblichen", sage ich, "mit dem Sturz vom Randstein beginnt. Seine aber - und das zeigt mir, dass er eine bedeutende Persönlichkeit war - begann wie gesagt mit dem Sturz Nap..." "Ersparen Sie uns diesen Kalauer!", unterbrechen mich die Leute. "Goethe ist und bleibt aktuell!", rufen sie. Dann pudern sie sich die Haare und fahren ins Theater, wo gerade "Iphigenie auf Tauris" gezeigt wird, ein topaktuelles Stück, in dem der Pudel einer schwindsüchtigen Gräfin während des Dreissigjährigen Kriegs vollkommen durchdreht, weil er den Kanonenlärm nicht erträgt. Nämlich beisst der Pudel dem bei der Gräfin zu Besuch weilenden Baron de la Motte ein Stück Hand ab, worauf der Baron die berühmten Worte sagt: "Liebst du mich?" Daraufhin beschwört die Gräfin in ihrem Boudoir hustend den Teufel, bietet ihm die Seelen von zehn gefangenen Schweden, wenn er die Hand des de la Motte wiederherstellt, die dieser so trefflich über ihren kranken Hals zu führen wusste. Am Schluss ersticht sich die Gräfin auf Rat des Teufels mit einem Kerzenständer, wodurch sich das Stück noch ein bisschen in die Länge zieht.

"Es war eine eindrückliche Inszenierung", sagen die Leute und klopfen sich den Staub von den Achseln, "finden Sie nicht auch?"

"Es war", sage ich, "wie sieben Jahre im Militärgefängnis von Istanbul, mit dem Unterschied, dass man dort wenigstens etwas zu essen kriegt." "Ach, lecken Sie uns doch am Arsch!", sagen die Leute, aber sogar das wird bei ihnen zum Zitat.


<a name=07>Das wahre Wesen der Literatur]]

[13.01.2000 Die Weltwoche Nr. 2. - "Moskito"] An einer Filmvernissage habe ich gehört, dass es in Zoë Jennys neuem Roman irgendwie um eine Muschel geht, die wegen der enormen Gewässerverschmutzung nicht mehr richtig tickt - deshalb verliebt sie sich in eine ergraute Fischerin, die kurz darauf nach Bombay flieht, weil es dort angeblich noch Altersheimplätze gibt.

Schöne Story, aber eigentlich ist es mir und vielen anderen eher visuell orientierten Literaturkennern muschelmässig egal, was in Jennys Buch drinsteht. Belletristisch relevant ist einzig der wunderbare Mund der Autorin! Ich war mal in Berlin an einer Zoë-Lesung - seither weiss ich, dass Literatur, wenn sie mit solchen Lippen vorgetragen wird, auch ganz einfache Gemüter erhitzen kann. Man spürt dann förmlich den Puls Schillers in sich, ja es rumort in einem wie in Shakespeares berühmtem Hamsterkäfig.

Davon merkt die Literaturkritik natürlich wieder einmal gar nichts! "Hast du die neuste Besprechung von Jennys Roman gelesen?", fragte mich gestern mein einziger Freund Patrik, und ich sagte: "Nein, aber sicher wird ihr bemerkenswerter Mund mit keinem Wort erwähnt." "Und keine Zeile über ihre fantastischen Augen!", rief Patrik, der übrigens auf seiner Homepage unter www.moderne_literatur.ch sämtliche offiziellen Zoë-Jenny-Fotos zum kostenlosen Download anbietet. Das hat ihm die Feindschaft des gesamten Germanistischen Seminars der Universität Zürich eingetragen. Täglich kriegt Patrik Schand-Mails: "Benjamin Stuckrad-Barre ist viel süsser als Ihre Trivialschlampe Jenny!" oder "Wenn Peter Weber Saxofon spielt, falle ich (männl., 22) in Ohnmacht - aber bei deiner ach so tollen Zoe schläft mir der Fuss ein!"

Im Gegensatz zu diesen intoleranten Germanisten beschäftigt Patrik sich auf seriöse Weise mit dem Werk Jennys, und zwar in einer Zweigwissenschaft namens Zoelogie. "Zum Beispiel untersuche ich gerade", erklärte er mir kürzlich, "den Zusammenhang zwischen gesunder Haut und literarischer Wirkung." Hätte die Jenny - so lautet Patriks Kernthese - von bisher unbekannten, aus dem Regenwald eingeschleppten Bazillen verursachte flechtenartige Verschorfungen im Gesicht, die bei Fernsehauftritten dauernd rot blinken würden, wäre ihr erstes Buch von der Kritik zermalmt und von niemandem gekauft worden. "Weil ihre Haut aber in Wirklichkeit schimmert", schwärmte Patrik, "wie das Innere einer sehr jungen Auster, ist die Kritik begeistert, der Leser hypnotisiert." "So gesehen", sagte ich, um ein bisschen zu fachsimpeln, "wäre es für alle Beteiligten das Beste, wenn Zoë Jenny Moderatorin bei 10 vor 10 würde. Ihr bliebe das anstrengende Bücherschreiben erspart, und wir könnten ihre Haut viel öfter betrachten."

Zum Schluss möchte ich mich bei all jenen, die nicht so viel von zeitgenössischer Literatur und geistigen Dingen verstehen, für diese Kolumne entschuldigen. Immerhin habe ich mich bemüht, schwierige literaturwissenschaftliche Fachausdrücke wie "Telegenität", "Homestory" oder "Autoren-Image-Training" zu vermeiden. Und hallo, Germanisten: Peter Weber ist wirklich total sexy!"


<a name=08>Was ist eigentlich der neueste Trend?]]

[20.01.2000 Die Weltwoche Nr. 2. - "Moskito"] Iste jetzt bei junge Schweizer in Schul mega in spreche wie Segondo-Generatione, Italo, Jugo, du schon wisse. Sage: "Gommer Migro?", heisse: "Gehn wir in die von Gottlieb Duttweiler gegründete Institution?" Oder frag einander: "Zeig mal her Natel - hat Scheiss-E-Mail-Funktion?" Iste also voll krass, Mann! Muss jetzt auch Bundesrat so quatsche - junge Type gehe dann vielleicht Urne, machen Wahl, Demokratie super! Wolle du höre, wie tönt? Sage zum Beispiel Fritz Leutenberge - oder wie heisst Kerl mit Schnauz, scheissegal -, sage also zu Schulklass: "Ey, euch da, bewegt mal Arsch hier, goffertammi! Ich jetzt erkläre Parlamentsystem, geht so: Grosse Bude in Bern, sitze links Leute, sitze rechts Leute, echt krass. Wenn du will mache Politik, du gehe cool vorn nach Sprechpult, rufe:

Verpiss dich, SVP, oder ich geb dir eins auf Parteilinie! Du könne auch rufe: Verpiss dich, FDP! und nachher mache kaputt Fraktion FDP."

Iste auch Religionsunterricht viel geiler, wenn rede so. Sage Religionstyp in Schul: "Wo hat angefangen, war mega grosses Wort. War voll bei Gott. Sagt Gott: Ich nix hier sehe, mache mal Licht. Mann, gehte Licht an wie bei Fussballstadion, wie Flutscheinwerfers.

Jetzt könne Gott machen Mann, super Frau, Natel, McDonald's Doppelburger. Machen auch Funk-netz für Natel, geile Rock für super Frau und BMW für Mann."

Aber stopp mal! Hör ich Leser, sicher so Fünfnulleiner, rufen: "Wollen Sie sich eigentlich über Ausländer lustig machen?" Denke: O Mann, was heisst? Was liegt an? Will ich Frieden machen, rufe zurück: "Ey, Kolleg, kein Problem! Gommer Migro? Gibte mega Poulet!"

(Okay, für alle Fünfnulleiner wird diese Kolumne vorübergehend in Goethe-Deutsch fortgesetzt. Fünfnulleiner verstehen nämlich den Secondo-Slang nicht. Das ist auch besser so. Denn wenn ein Zürcher Secondo zum andern sagt: "Palais Xtra, so Scheiss, nur so Fünfnull-einer!", meint er damit, dass er lieber sein Dualband-Handy, also sein Leben, unter eine Dampfwalze legen würde, als ins Palais Xtra zu gehen, wo die Leute beim Tanzen Blue Jeans der Marke Levi's 501 tragen! 501 ist nun wirklich das Hinterletzte! Es ist die Hose der gnadenlos links durchliberalisierten Sekundarlehrer, die nach all den Jahrzehnten, in denen sie in ABM-Jeans aus Taiwan herumgelaufen sind, sich eines Tages sagen: "So, jetzt kaufe ich mir auch einmal so eine Designerhose!" Über Fünfnulleiner, die zu ihrem blauen Beinkleid auch noch ein weisses Hemd mit Krawatte tragen, wollen wir hier gar nicht reden, denn die Beschreibung tragischer Verirrungen ist Aufgabe der antiken Dichter. Ende GoetheDeutsch.)

Ich also sage: "Gommer Migro, mega Poulet!", aber Föifnulleiner mache nur Stinkfinger, rufe: "Wenn ein Teil der Schweizer Jugend den Ausländerdialekt jetzt so genannt lässig findet, hat das noch nichts mit Integration zu tun!" Iche sage: "Gommer halt Kebap, Kolleg, ey, beruhig dich, alles schön Wetter hier!" Aber Föifnulleiner nur rufe: "Integration! Integration!" Sag ich: "Wenn du wolle, gut, gommer halt Integration. Aber wenn kost viel, du zahlst, okay?"


<a name=09>Bitte über den Witz am Schluss nicht lachen!]]

[12.10.2000 Die Weltwoche Nr. 41. - "Moskito"] "Ich bin weiss Gott", mailte mir Leser H. aus M., "kein Rassist. Aber als meine Frau und ich kürzlich in Tansania waren, begegnete uns doch tatsächlich so eine verdammte..." Und so weiter. Rassismus ist also ein ernstes Problem. Oft beginnt er ganz harmlos: "Schau an", denkt man, "fotografierende Japaner. Denen werde ich jetzt mal die Sicht auf die Alpen verdecken!" Oder man steckt sich im China-Restaurant die Stäbchen in die Nase und ahmt die Laute der Pekingente nach. Immer tiefer gerät man ins unhygienische Fahrwasser des Rassismus, bis man eines Tages in aller Öffentlichkeit ruft: "Ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie!" Das ist der furchtbarste Satz auf dem Gebiet des Fremdenhasses! Gerade gestern sagte ich zu meinen Kindern: "Unter keinen Umständen dürft ihr Ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie sagen, sonst kommt 10 vor 10 und macht einen bösen, zehnminütigen Bericht über euch!" "Und wenn wir's nur rückwärts sagen?", fragten die schlitzohrigen Pokémonster. Sogar Japaner werden jetzt gemerkt haben, dass die Problematik dieses Satzes in seiner leserichtungsunabhängigen Fremdenfeindlichkeit liegt. Man sollte ihn deshalb auch in Notfällen nicht verwenden, besonders nicht auf einer Safari in Tansania.

"...begegnete uns doch tatsächlich so eine verdammte Gazelle", mailte mir also Leser H. aus M., "mitten in der Serengeti! Und neben ihr - Sie glauben's nicht - stand ein herziger Afrikaner, und das alles bei strömendem Regen! Bevor ich meiner Frau den Mund zuhalten konnte, hatte sie natürlich schon gesagt: Oh, ein Neger mit Gazelle... Daraufhin bot uns die Reiseleiterin ein Gespräch mit dem Hotelpsychologen an. Wir zögerten, aber als die anderen Safariteilnehmer - fast alles Sekundarlehrer aus Solothurn - sich weigerten, mit uns zum Elefantenpfad weiterzufahren, willigten wir ein.

"Am Abend im Hotel", mailte Leser H., "legte uns Herr Verheugen, der Hotelpsychologe, dann einen Fragebogen vor. Zum Beispiel stand da: Welche Eigenschaft beschreibt Ihrer Meinung nach den Charakter einer Gazelle am besten? A) Eignung als Sklave, B) Gut im Bett, C) Kriminelle Energie?" "Lieber Herr H.", mailte ich zurück, "ich lade Sie sofort zum Bier ein, vorausgesetzt, Sie zahlen." "Ja, gopfertami", sagte Leser H. wenig später in der Kneipe, "wir kreuzten B an! Wir dachten, wenn Gazellen schlecht im Bett wären, gäbe es sicher nicht so grosse Herden!" "Mmh", dachte ich, "Herde klingt irgendwie rassistisch." "Mitten in der Nacht", sagte Leser H., "rief uns dann prompt ein Herr Kürschner vom Tages-Anzeiger an. Ist es bei Ihnen in Tansania schon hell?, fragte er blöd, und als ich rief: Nein, hier ist alles rabenschwarz!, sagte er: Und das stört Sie ja bekanntlich sehr! Dann fragte er mich noch", klagte Leser H., "warum ich glaube, dass Afrikaner im Regen nie verzagen! Den Rest kennen Sie ja." Klar, halbe Seite im Tages-Anzeiger, Titel "Schweizer Rassist wütet in Tansania".

Schlimm. Aber noch schlimmer sind Witze wie dieser: Warum sagt ein Kosovo-Albaner, wenn er eine Bank überfällt, "Grüezi mitenand"? Weil er integriert ist. Hehehe!


<a name=10>Fahren am Rande des Existenzminimums]]

[2001 Die Weltwoche Nr. 51. - "Moskito"]

Seit ich meinen Fiat verkauft habe und in einen kleinen, erotischen Mercedes umgestiegen bin, hat sich meine hierarchische Position auf der Autobahn merklich verbessert. Ich geniesse das, denn mein Leben als Fiat war das eines Omega-Tierchens, eines subalternen Handlangers. Wenn ich mich zum Beispiel auf die Überholspur wagte, also ins Revier des BMW, fiel mich dieser sogleich von hinten an und demonstrierte mir die Potenz seiner überlegenen Lichthupe. "Habt Gnade, Herr", murmelte ich dann jeweils, "mit einem armen, schwachen Auto." Eines Tages allerdings erinnerte ich mich an das "Rote Schülerbüchlein", die Sprüche des Vorsitzenden Mao Zedongs, die ich als Erstklässler gelesen hatte, und ich sagte mir: "Schluss mit der Unterdrückung durch den Papiertiger BMW!" Beinahe wäre ich durch eisernes Verharren auf der Überholspur zum Garibaldi der Fiats geworden, aber dann piepste in mir ein Stimmchen: "Sicher sitzt in diesem BMW eine wohlhabende Frau, die dringend in die Gebärklinik muss. Und du Würstchen stehst ihr im Weg."

Ich war also ein Unterhund: schwacher Motor, Schaltknüppel aus Plastik. Mein ganzes Selbstvertrauen basierte auf meiner elektronischen Parkhilfe, ich dachte immer: "So einen Parksensor haben sonst nur Oberklasse-Mercedes!" Auf Skodas und Renaults blickte ich mit Verachtung herab, denn diese Penner hatten natürlich keinen solchen Parksensor, sie waren die Ärmsten der Armen, einfach ekelhaft. Wenn so ein Sozialhilfe-Skoda auf der Überholspur vorwärts kroch, konnte er von Glück sagen, dass nur ich es war und kein BMW, der ihm Feuer unter dem Arsch machte!

Übrigens war ich Mitglied der Schweizerischen Fiatpartei (SFP), an der mir gefiel, dass sie sich fast ausschliesslich für die Interessen der Mercedes einsetzte, etwa durch die Lancierung der Volksinitiative "Freie Überholspur für Luxuswagen". "Als Fiat", sagte ich mir, "muss man sich nach oben orientieren, dann wird man eines Tages selbst ein Mercedes." Das war jetzt natürlich ein Scherz, mit dem ich ausdrücken wollte, dass ich, wenn es eine solche Volksinitiative gegeben hätte, gegen meine eigenen Interessen gestimmt hätte, weil ich es einfach satt hatte, ein unbedeutender Fiat zu sein. Einmal zum Beispiel fuhr ich zum Service in die Fiat-Werkstatt, wo mir ein junger Automechaniker erzählte, dass es sein Traum sei, einmal in einer Mercedes-Werkstatt zu arbeiten. Nachdem er mir ausserdem erklärt hatte, dass er bei einem Unfall lieber in einem zwanzig Jahre alten Benz sitzen würde als in einem neuen Fiat, fühlte ich mich von der ganzen Welt verlassen.

Heute, wie gesagt, gleite ich in einem erotischen Merzchen auf einem beheizbaren Vollledersitz durch die schweizerischen Verkehrsadern. In respektvollem Abstand folgen mir höfliche BMW. Man gehört jetzt eben dazu und lernt, dass nur der grosszügig sein kann, der alles erreicht hat. Ein Fiat versperrt mir die Überholspur? Als Mercedes denke ich voller Mitleid: "Der arme Kerl gibt sich so viel Mühe und kommt doch nicht voran. Ich werde mal lichthupen, damit er merkt, dass jemand mit ihm fühlt."


<a name=11>Warum stöhnt Kugellager so laut?]]

[22.08.2002 Facts Nr. 34. - "L. R. Confidential"]

Ich schaute mir im Kino einen brasilianischen Film an, er hiess Heisse Nächte auf der Plantage. Es ging darin um die Tochter eines Tabakfarmers, die sich unsterblich in die fünfzig Arbeiter ihres Vaters verliebt hatte. Nach Sonnenuntergang versammelten sich die fünfzig Arbeiter unter dem Schlafzimmerfenster von Rolema, so hiess die Tochter, und riefen: "Rolema, Nymphchen, lass uns in dein Bett, wir habens verdient!"

In der Reihe vor mir sass ein älterer Herr, der sich den Film konzentriert anschaute und dabei stöhnte, vermutlich aus Mitleid mit Rolema, die unter der Last der Arbeiterschaft zusammenbrach. Ich tippte dem Herrn auf die Schulter und flüsterte: "Wussten Sie, dass Rolema auf Deutsch Kugellager heisst?" "Hau ab!", zischte der Herr, aber ich bin es gewohnt, dass die Leute allergisch auf mich reagieren. "In Brasilien", fuhr ich fort, "dürfen die Eltern einem Kind nämlich die verrücktesten Vornamen geben." "Arschloch!", rief der Herr und setzte sich an einen anderen Platz. "Ganz richtig, auch Arschloch", sagte ich, die brasilianischen Namensämter verlangen nur, dass es sich bei dem Namen um ein bekanntes Wort handelt. "Hol dir endlich einen runter!", brüllte mir jemand in den Nacken. Offenbar schien es in diesem Kino niemanden zu interessieren, dass der Polizeichef der Grossstadt Goiania Hitler-Mussolini Pacheco heisst.

Also wandte ich mich wieder dem Film zu, in dem die schöne Kugellager ihren Vater gerade bat, Jesusbart, den vitalsten der fünfzig Arbeiter, heiraten zu dürfen. "Aber Barba de Jesus ist doch schon mit Xerox-Copia verheiratet!", empörte sich der Vater, worauf Kugellager die Augen gefährlich zusammenkniff. "Nicht mehr lange", flüsterte sie. In der Nacht traf sie sich hinter der Tabak-Häckselmaschine mit dem Hausdiener José Casou de Calcas Curtas. Während er mit ihr die so genannte italienische Leuchte machte, keine Stellung übrigens für Leute mit Bandscheibenproblemen, steckte Kugellager ihm einen Voodoo-Pfeil ins Schulterblatt.

An diesem Punkt begann der Film mich intellektuell zu überfordern. "Warum hat sie ihm denn jetzt", fragte ich den Zuschauer hinter mir, "diesen Pfeil reingesteckt?" "Weiss nicht", keuchte der Mann, "und ist mir gerade auch saumässig egal."

Jose Casou de Calcas Curtas praktizierte nun mit Xerox-Copia, der von Kugellager gehassten Ehefrau von Barba de Jesus, die Variante a tergo. Als der offenbar verhexte Calcas Curtas ein unter den Laken verstecktes Messer hervorzog, schickte ich ein SMS an meine einstige Freundin Laura: "Warum stöhnen Frauen beim Sex eigentlich lauter als Männer?" Xerox-Copia war noch keine fünf Minuten tot, da SMSte Laura zurück: "Weil sie dafür bezahlt werden."

Diese Antwort befriedigte mich nicht. Nachdenklich verliess ich das Kino und bestellte an einem Kebabstand einen Döner ohne. "0hne was?", fragte der Standwirt, "0hne was Sie wollen", sagte ich, wichtiger ist doch die Frage, warum Frauen beim Sex lauter stöhnen als Männer, was meinen Sie?" Der Standwirt schielte beim Nachdenken ein bisschen, dann sagte er: "Die Weiber haben ihre Gefühle nicht im Griff, das ist meine Meinung. Also ohne Zwiebeln oder was?"

Wer eine plausiblere Erklärung hat, maile diese bitte an <a href=mailto:lreichlin@active.ch>lreichlin@active.ch]]


<A NAME=inter>Internet</A>

  • <a href=http://www.stage.ch/moskito/ Linus Reichlins Moskito Movies]] - ein paar bescheuerte kleine Filmchen
  • <a href=http://www.facts.ch/ Facts]] - Schweizer Illustrierte, die seit Mai 2002 Linus Reichlins Kolumne "L. R. Confidential" veröffentlicht
  • <a href=http://www.weltwoche.ch/ Die Weltwoche]] - Schweizer Wochenzeitung, die bis Mai 2002 Linus Reichlins Kolumne "Moskito" veröffentlichte

© 1998-2002 <a href=http://www.michaelkuhn.ch/ba.html Biographisches Archiv]] | E-Mail: <a href=http://www.michaelkuhn.ch/set/mail.html>Michael</a> </BODY> </HTML> <NOSCRIPT>


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