Text "Die Ballade vom Computer pX" (Franz Hohler)
- Der Computer pX in den äusseren Staaten
- tat all das, was andre Computer auch taten:
- Er rechnete Brüche, berechnete Kosten
- und ging theoretisch weiss was alles posten
- jonglierte mit Defizits, Budgets und Spesen
- verrechnete Fett, kalkulierte Chinesen
- erweiterte Sätze von Gauss und Bernoulli
- erfand einen eisbärensicheren Pulli
- samt Ellbogenschoner für Schmetterlinge
- und viele andere, nützliche Dinge
- durchbohrte die Anden, verjüngte Greise
- und drehte gefangene Taranteln im Kreise
- addierte die Zeugungskraft aller Putter
- kurz, war ein solider und guter Computer.
- Nur etwas war heikel, und das war genau:
- Der Mann der ihn fütterte war eine Frau.
- Eine Frau, eine Frau, eine Frau, eine Frau, eine Frau.
- Name: Zeller
- Vorname: Elisabeth
- Beruf: Dr. math.
- Grösse: 1,58
- Augen: schwarz
- Haare: mattbraun
- Zivilstand: ledig... ledig... ledig... ledig...
- Der Computer war auch nur ein Mensch wie wir alle
- und ging dieser Fülle an Reiz in die Falle.
- Bald zitterte er bis zur innersten Niete
- wenn ihr Antlitz auch nur schon von weitem erblühte
- und wenn sie ihn zarten Gelenkes berührte
- ein neues Problem in den Rachen ihm führte
- dann knackt' ihm das Eisen vor innerem Glück
- und Sätze wie folgender kamen zurück:
- "Epsilon achzehnter, n-ter und q-ter.
- Herzliche Grüsse, Ihr Computer."
- Dies lesend, machte Elisabeth Zeller
- Augen wie kleinre Dessertteller
- verspürte ein Gruseln mittlerer Lage
- und las dann die Antwort zur nächsten Frage:
- "Kein Ergebnis mit Jod und Amino.
- Kommen Sie heute mit mir ins Kino?"
- Verehrung ihn Ehren, doch eine Maschine!
- Elisabeth las mit erbleichender Miene:
- "pi 15 pro Tonne kanadischer Eicheln.
- Montieren Sie mir einen Greifer zum Streicheln!"
- Die Frau überlief's, das fand sie nun schändlich
- dann wurde er vollends unmissverständlich:
- "8 Sigma, 0 14, HG eines Stücks.
- Ich liebe Sie. Yours, for ever, pX."
- Da verlor Fräulein Doktor ganz plötzlich die Fassung
- und bat den Direktor um Ihre Entlassung.
- Bloss zwei Tage später stand sie am Abend
- die Arbeitseffekten schon eingepackt habend
- zum letzten Mal vor dem Balzautomaten
- rekapitulierte nochmals dessen Taten
- und schüttelte düster den mattbraunen Kopf
- Da leuchtete plötzlich der Antwortknopf:
- "Bitte kriechen Sie mir ins Getriebe.
- Ich sehn mich so nach ein bisschen Liebe."
- Sie wusste beinahe nicht, wie ihr geschah
- doch pX stand so traurig und greiferlos da
- und zuckte so einsam mit Zeigern und Zählern
- geschunden von wissensbegierigen Quälern
- so frierend in chromstahllegierter Verschalung
- so bar jeden Schmucks und jeder Bemalung
- so freudlos unf plump, und walfischhaft nackt
- dass sich Fräulein Zeller, von Mitleid gepackt
- in plötzlicher Regung die Röcke schürzte
- und in des Computers Hauptöffnung stürzte!
- Ein Blitzen von Lichtlein, Kontakte, die summen -
- und dann ein behagliches, nachtlanges Brummen.
- Der Computer jedoch blieb seither vernichtet
- und auch Fräulein Doktor ward nicht mehr gesichtet.
Aus dem Programm Die Sparharfe (1967)