Roxy Music
Anfang 1971 beschlossen Bryan Ferry und Graham Simpson, eine eigene Gruppe zu gründen. Auf eine Anzeige im Melody maker meldet sich Andy Mackay, ein klassisch ausgebildeter Saxophonist und Oboist mit einem eigenen VCS3-Synthesizer. Er ist auch grosser Fan von John Cage und der sogenannten Neuen Musik. Auf einer Avantgarde-Veranstaltung lernt er Brian Eno kennen, der bei der nun Roxy genannten Gruppe zunächst für den Klang zuständig ist, eine Art besserer Mixer. Der Gruppenname soll an die von Ferry so sehr geliebten altmodisch glamourösen Kinopaläste erinnern. Als sich herausstellt, dass es bereits eine gleichnamige US-amerikanische Gruppe gibt, wird der Name zu Roxy Music geändert. Auf Roger Bunn (Gitarre) folgt David O'List (Gitarre; ex-Nice), der ebenfalls nur wenige Monate bleibt, bis im Februar 1972 endlich Phil Manzanera (Gitarre) bei der Gruppe landet. Bereits einige Monate zuvor war Paul Thompson (Schlagzeug) zur Gruppe gestossen, der sich auf eine Anzeige im Melody maker gemeldet hatte: "Wundertrommler für Avantgarderockband gesucht". Er hatte vorher auf dem Bau gearbeitet.
Im Juni 1972 legten Roxy Music ihr gleichnamiges, von Pete Sinfield produziertes, Debütalbum vor, das sie als Rocknostalgiker im Stil der US-amerikanischen Gruppe Sha Na Na zu qualifizieren schien. Avantgardistische Klangspielereien enden in brachialen Rocknummern, und nichts wirkt so, als sei es aus dem Bauch heraus gespielt. Da sich Roxy Music bisher bei Auftritten bewusst zurückgehalten hatten, wirkten die ersten grossen Konzerte umso beeindruckender: ferry stolzierte ungelenk im hautengen schwarzen Paillettenanzug über die Bühne. Eno sah im glitzernden Bolerojäckchen trotz seiner sich lichtenden Haare ungeheuer feminin aus. Der aufwendig frisierte Mackay präsentierte sich in Plastikhosen voller absurd grosser Gumminoppen. Die ganze Gruppe wirkte so überstylt, als hätte ein designer seine wirrsten Phantasien verwirklicht. Tatsächlich hatte Ferry den Modemacher Anthony Price engagiert, der zuvor schon für die Rolling Stones gearbeitet hatte. Er blieb bis zur Trennung 1982 der offizielle Stilberater von Roxy Music.
1973 war aus der zunächst eher harmlos wirkenden Puppe ein farbenprächtig schillernder Musik-Schmetterling von dekadenter Faszinationskraft geschlüpft. Bryan Ferry (Stimme, Tasteninstrumente) führte mit seiner in Leder, Seide, Goldlamé und Federn gekleideten, mit Geschmeide behängten, teilweise karmesinrot und silberblond gefärbten Truppe eine abgefeimte Transvestitenschau auf. Die hauptsächlich von Ferry komponierte, von Andy Mackay (Saxophon, Oboe; geboren 23. Juli 1946 in Lostwithiel, Cornwall), Phil Manzanera (Gitarre), Richard "Rik" Kenton (Bassgitarre), Paul Thompson (Schlagzeug) und dem Elektroklang-Spezialisten mit dem vollen Namen Brian Eno (Synthesizer, Tonbandrekorder, Gitarre, Bassgitarre, Stimme) interpretierte Musik war ein cleveres Gebräu aus brutalen Rock'n'Roll-Monotonismen, Jazz- und klassischen Formen mit Anklängen an Sonny Rollins und [[Kurt Weill], exotischen Tanzryhthemn und Canzone-Schmalz.
Besonders Andy Mackay, Ex-Oboist des London Symphony Orchestra, zwang die "durch irrsinnige Strukturen taumelnden Klanggebilde" (Süddeutsche Zeitung) mit bohrend-intensiven Sax- und Oboenchorussen in die Gehörgänge. In der durch den Mangel an überzeugenden musikalischen Ideen gekennzeichneten Saison 1972/1973 wirkte Roxy Music ausserordentlich erregend. Nach Brian Enos Ausscheiden 1973 wurden die Stücke der nun mit Edwin Jobson (Tasteninstrumente) und Johnny Gustafson (Bassgitarre) besetzten Gruppe zunehmend zu Vehikeln für Ferrys Lyrik und seinen rezitativen, stakkatoartigen Gesang; sie hatten nur geringes melodisches Eigengewicht. Ferry vermochte den monochromen Roxy Music-Stil jedoch stets durch Zubehör aus der Abseite bis hin zu einer angedeuteten Naziuniform (Stiefel, Breecheshosen, weisses Hemd, Schulterriemen) auffällig zu gestalten. In zahlreichen Soloproduktionen der ursprünglichen Roxy Music-Musiker bildete sein Dekadenz-Rock auf der Musikszene Metastasen.
Ferry selbst erging sich in zerstörerischen Umdeutungen der Lieder von Bob Dylan ("A hard rain's a-gonna fall"), Jerome Kern ("Smoke gets in your eyes") oder der Rolling Stones ("Sympathy for the Devil").
Mackay improvisierte auf seinem Instrumentalalbum In search of Eddie Riff (1974) radikale Oden über "The end of the world" (Liedtitel) und zerstörte Melodien von Franz Schubert und Richard Wagner.
Eno trieb in die Nähe der Velvet Underground-Erben John Cale, Nico sowie des King Crimson-Königs Robert Fripp und jagte Relikte aus den Avantgardeklängen der 1960er Jahre durch den Synthesizer.
2001 taten sich Bryan Ferry, Andy Mackay, Phil Manzanera und Paul Thompson wieder zusammen und geben seitdem jedes Jahr wieder eine Reihe Konzerte, ab und zu unterbrochen von der Ankündigung, man würde an einem neuen Album arbeiten.
Diskographie
Jahr | Interpret | Medium | Titel | Plattenfirma | Anmerkungen |
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1972 | Roxy Music | LP | Roxy Music | Island | Fotomodell: Kari-Ann Moller |
1973 | Roxy Music | LP | For your pleasure | Island | Fotomodell: Amanda Lear |
1973 | Roxy Music | LP | Stranded | Island | |
1974 | Roxy Music | LP | Country life | Island |
Andy Mackay
Jahr | Interpret | Medium | Titel | Plattenfirma | Anmerkungen |
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1974 | Andy Mackay | LP | In search of Eddie Riff | Island |
Phil Manzanera
Jahr | Interpret | Medium | Titel | Plattenfirma | Anmerkungen |
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1975 | Phil Manzanera | LP | Diamond head | Island |