1979 Film "Nosferatu (Fantôme de la nuit)"
Produktion | Werner Herzog für DE: Werner Herzog Filmproduktion (München) / FR: Gaumont (Paris) / DE: Zweites Deutsches Fernsehen (Mainz) |
Drehbuch | Werner Herzog nach dem Roman Dracula von Bram Stoker und Henrik Galeen's Drehbuch zu Friedrich Wilhelm Murnaus Film Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens (1922) |
Regie | Werner Herzog. - Assistenz: Mirko Tichacek, Remmelt Remmelts |
Kamera | Jörg Schmidt-Reitwein. - Assistenz: Michael Gast. - [Farbe (Eastmancolor)] |
Darsteller | Klaus Kinski (Graf Dracula), Isabelle Adjani (Lucy Harker), Bruno Ganz (Jonathan Harker), Roland Topor (Renfield), Walter Ladengast (Dr. van Helsing), Dan van Husen (Wärter), Jan Groth (Hafenmeister), Carsten Bodinus (Schrader), Martje Grohmann (Mina), Rijk de Gooyer (Stadtbeamter), Clemens Scheitz (Gerichtsschreiber), Lo van Hartingsveld (Ratsherr), Bo van Hensbergen (Inspektor), John Leddy (Kutscher), Margiet van Hartingsveld (Magd), Tim Beekman (Sargträger), Jacques Dufilho (Kapitän der Contamana), Beverly Walker (Äbtissin), Rudolf Wolf (Phantom-Kutscher), Johan te Slaa (Ausrufer), Claude Chiarini (Inspektor), Stefan Husar (Kutscher), Roger Berry Losch (Matrose), Paul Monette, Werner Herzog (Totengräber) |
Sprache | |
Schnitt | Beate Mainka-Jellinghaus |
Produktionsleitung | Walter Saxer |
Beleuchtung | Martin Gerbl |
Bauten | Henning von Gierke, Gisela Storch ; ?Ulrich Bergfelder |
Künstlerische Gestaltung | Henning von Gierke |
Kostüme | Gisela Storch, Ann Poppel |
Maske | Reiko Kruk, Dominique Collandant. - Frisuren: Ludovic Paris |
Spezialeffekte | Cornelius Siegel |
Musik | Popol Vuh, Florian Fricke, Richard Wagner, Charles Gounod, Vok Ansambi Gordela |
Ton | Harald Maury |
Drehort | Delft (Niederlande). Schiedam (Niederlande): Rattenszene. Deutschland. Tschechoslowakei. Mexiko. |
Drehzeit | 1978.05.01 - 1978.07.06 Schloss Pernstein ; Tatra-Gebirge ; Nedvedice ; Telc (Tschechoslowakei) ; Guanajuato (Mexiko) ; Delft (Niederlande) ; Schiedam (Niederlande): Rattenszene ; Oostvorne (Niederlande) ; Nordseeküste (Niederlande). |
Werner Herzogs Neuverfilmung hält sich in Aufbau und Inhalt weitgehend an Friedrich Wilhelm Murnaus Stummfilmklassiker Nosferatu (Eine Symphonie des Grauens) (1922). Wie bei diesem handelt es sich also nicht um eine direkte Verfilmung des Romans Dracula von Bram Stoker. Dennoch werden hier die Rollennamen aus dem Roman verwendet. Im Unterschied zum klassischen Filmvorbild endet Herzogs Film damit, dass trotz Selbstaufopferung Lucys (im Murnau-Film Ellen) ihr Ehemann Jonathan Harker von Nosferatu bereits "infiziert" ist und seine Nachfolge antritt. Der Graf Dracula selber ist hier nicht ein zähnefletschendes Untier, sondern eine tragische, mitleidheischende Figur, die daran leidet, einsam zu sein und nicht sterben zu können. Regisseur Herzog wollte dramatisieren, erzielte jedoch bei den Filmfestspielen von Venedig bei der Uraufführung einen unfreiwilligen Lacherfolg.
Auf die Frage nach seiner Auffassung von Nosferatu antwortete Klaus Kinski:
Das bin ich. Ich war nie ein Schauspieler, der eine Rolle nur eben spielte. Das, was ich darstelle, ist auch in mir. Es ist ein Schrei nach Liebe, der Ausdruck der Verzweiflung oder der Hoffnung. Gefühle also, die jeder hat, bringe ich konzentriert zum Ausdruck. Insofern bin ich selbst Nosferatu... Dieser Graf Dracula ist mir eine vertraute und sympathische Figur. Er hat keinen freien Willen, ist ein Getriebener. In ihm spiegelt sich das Böse, aber auch unsere ganze Hoffnung nach Liebe.
Werner Herzog rief mich irgendwann einmal nachts um zwei Uhr an und fragte mich, ob ich einen Vampir spielen könne. Ich hatte Murnaus Film nie angesehen und war daher nicht im geringsten vorbelastet, also sagte ich ja. Mich hat die Magie, also das Unerklärbare, das Märchenhafte an diesem Stoff interessiert. Da habe ich eben zugesagt. Quelle: 1979 Cinema Nr. 4 - Klaus Kinski Interview
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Es handelt sich hierbei um Werner Herzogs erste internationale Grossproduktion. Mit 2.5 Millionen DM stand ein für 1978 üppiges Budget zur Verfügung. Herzogs Renommé als "Autorenfilmer" des neu erstarkten deutschen Films war besonders in Frankreich enorm. Mit der Gaumont als französischer Koproduktionsfirma und Superstar Isabelle Adjani im Rücken sollte zumindest auf dem französischen Kinomarkt nicht schiefgehen. Mit Bruno Ganz wurde zudem noch der - nach einer Umfrage der Kinozeitschrift Cinema - populärste deutschsprachige Filmschauspieler jenes Jahres engagiert. Ganz landete auf Platz acht der beliebtesten Kinostars, weit vor Klaus Kinski, der auf Platz 25 kam. Der Autor Roland Topor spielte den irren Renfield. Nach Herzogs Aussage sollte der Film ein Bindeglied zwischen dem hochgefeierten deutschen Vorkriegsfilm und der neu entstandenen deutschen Filmkunst nach der durch das Dritte Reich geschlagenen Lücke sein.
Die Zentralfigur des Vampirs wird hier auf eine leidende Kreatur reduziert, der trotz aller Scheusslichkeit und Bedrohlichkeit fast schon Mitleid entgegengebracht werden soll.
Dracula ist für mich gar kein hundertprozentiger Bösewicht, sondern eine zwiespältige Persönlichkeit, die Gut und Böse in sich vereint. Eine tragische Figur, die genauso Mitleid wie Abscheu verdient. Ausgestossen aus der menschlichen Gesellschaft, trägt er jahrhundertelang die ungestillte Todessehnsucht mit sich herum: "Der Tod ist nicht alles. Es ist grausamer, nicht sterben zu können." Dazu eine zweite Sehnsucht: geliebt zu werden, jemandem Liebe geben zu können.
Quelle: Klaus Kinski
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So wird Dracula von Klaus Kinski auch gespielt. Das passte einigen Kritikern nicht, da "im Gegensatz zu Frankenstein, der ohne es zu wollen, Unheil anrichtet und als Aussenseiter gejagt wird" der "Vampir von seiner Anlage her schon auf Unheil aus" sei. Ihn selbst zur tragischen Figur zu machen, raube dem Film die Basis: "Die totale Vitalität und Virilität Nosferatus einzutauschen gegen eine jammervolle Ermattung, die nur noch Ruhe finden will, statt ewiges Leben, ist der grosse Fehler, der Werner Herzogs Nosferatu-Remake von 1979 runiniert; wie Klaus Kinski diesen neuen Nosferatu spielt, als überlebensunlustigen Vampir, meint man, der mythomane Herzog habe Fritz Langs Müden Tod gleich noch mitaufarbeiten wollen." (Benjamin Hembus in: Klassiker des deutschen Stummfilms 1910-1930, 1983)
Dennoch zählt die darstellerische Leistung Klaus Kinskis "in seiner bislang faszinierendsten Rolle" (1979 Der Spiegel Nr. 3) zu den Glanzpunkten des Films. In seiner Nosferatu-Maske, die ihm täglich in einer vierstündigen Prozedur von einer japanischen Maskenbildnerin angelegt wurde, sind wie bei Murnau die Schneidezähne die gefährlichen Beissinstrumente, während Dracula sonst mit seinen überlangen Eckzähnen zubeisst. Die todbringende Gefahr wird mehr oder weniger den Abertausenden von Ratten zugeschoben, die sich in der ganzen Stadt verteilen und die Pest mit sich bringen. 11'000 Ratten hatte Herzog nach Delft, dem holländischen Städtchen, das als historisches Wismar herhalten musste, aus einem ungarischen Versuchslabor anliefern lassen. Erst bei der Lieferung stellte sich heraus, dass alle Tiere weiss waren. Gegen die Proteste seines Teams und der Delfter Einwohner liess er die "Statisten" grau färben. Auch seiner Hauptdarstellerin waren die "Partner" nicht geheuer. Werner Herzog: "Natürlich hatte die Adjani Angst - aber sie hat sich nie beklagt. Von einem Profi muss ich das erwarten können; schliesslich mussten wir uns alle an die Ratten gewöhnen. Ich selber bin so oft in die Hand gebissen worden, dass ich es nicht mehr zählen kann."
Darstellerisch legte Herzog dem französischen Filmstar, so ihr Biograph Meinolf Zurhorst, ein "Korsett" an. "Ihr Haar glatt zu einem Knoten gebunden, die Augen schwarz umrandet und aufgerissen, das blasse Gesicht zur stummen Leidensmiene verzogen, manchmal übertrieben ihre ansonsten beinahe zu statische Bewegungslosigkeit überwindend, erscheint Isabelle Adjani wie aus einem expressionistischen Stummfilm, in dem das Spiel vor allem durch weitausholende Bewegungen charakterisiert war. Herzog, der sie in Interviews als das einzige weibliche Genie, das ich kenne bezeichnete, wusste mit ihrer Kraft recht wenig anzufangen." Lediglich "in einer der erregendsten Szenen durchlebt sie mit Dracula eine blutsaugerische Nacht voll tödlicher Erotik. Die sonst den ganzen Film hindurch sehr fade Isabelle Adjani spielt hier mit sexueller Hingabe und zärtlichster Verzückung." (1979 Der Spiegel Nr. 3) Im übrigen kursierte der Genie-Begriff unter den Beteiligten recht inflationär - Kinski über Herzog: "Das einzige Genie, mit dem ich je zusammengearbeitet habe." Herzog über Kinski: "Das einzige Genie, das ich kenne. Wenn der Kinski das nicht gemacht hätte, hätt' ich den Film nicht gedreht. Er war bei den Dreharbeiten sehr lieb, sehr handsam und hat mich immer verteidigt." (1983 Gong Nr. 12)
Zur Einschätzung seines Films war von Werner Herzog zu lesen: "Dieser neue Nosferatu kann in den kommenden 50 Jahren vielleicht erreicht, nicht aber übertroffen werden." (1979 Cinema Nr. 3) - "in den kommenden fünfzig Jahren wird es unmöglich sein, einen Vampirfilm zu machen, der sich nicht auf meinen Nosferatu bezieht." (1983 Gong Nr. 12) Der Film, der gleichzeitig in Deutsch und Englisch gedreht und von einem amerikanischen Verleih mitproduziert wurde, kam in den USA nie in die Kinos, weil er schon bei Testvorführungen gnadenlos durchfiel. Auch während der deutschen Erstaufführung bei den Internationalen Filmfestspielen in Berlin am 23. Februar 1979 "kugelte sich das Publikum vor Lachen". Klaus Kinskis Nosferatu-Kostüm wird heute übrigens im 1993 eröffneten Düsseldorfer Filmmuseum aufbewahrt.
- Leider spürt man Murnaus unerreichbares Vorbild allzu bedrückend. Bis ins Detail hinein hat Herzog es in vielen Einstellungen kopiert, ohne das beängstigende Flair des Grauens zu erreichen. Unentschlossen wie sein Schwanken zwischen Imitation und eigener Vision ist seine Farbdramaturgie. Er hat nicht die übliche barocke Buntheit der meisten späteren Vampirfilme inszeniert, sondern alles in fahles Licht getaucht, das kaum den düsteren Horror der Murnauschen Schwarzweiss-Kontraste erreicht. (Wolfgang Limmer in: Der Spiegel)
- Von der Fachkritik wird nun darüber gestritten, ob Herzogs Film besser oder farbloser, einfach anders, visionärer als der von Murnau, ob Herzogs Film vielleicht das Finale der bürgerlichen Zivilisation aufzeigt und ob solche politischen Verweise schon bei Bram Stoker nachlesbar seien. Und es werden schlaue Bezüge gesucht zu Lebenszeichen und Jeder für sich und Gott gegen alle und natürlich Herz aus Glas. Sicher, Herzogs Abbild dieses gehetzten und sich nach einem erlösenden Tod sehnenden Vampirs kann als Metapher für die betrogenen Hoffnungen der 70er Jahre interpretiert werden - wer interpretieren will, wird genügend Anhaltspunkte finden. Dass Übel und Unheil in dieser Welt nicht aufzuhalten sind, dass Jonathan, inzwischen selbst Vampir, sich ungeschoren davonmacht, nachdem Herzog einen fröhlich-pompösen Totentanz zwischen Ratten, Schweinen und sterbenden Menschen veranstaltete, wird jedermann im Parkett als Totenfeierder Zivilisation wahrnehmen. Diese Metaphern hat jedoch nicht Werner Herzog erfunden - das Vampir-Genre ist so alt wie die Literatur selbst und wird auch im Film selbst zitiert. Herzogs Film ist eben deshalb so fabelhaft, weil er ein altes Thema aufgreift, individuell variiert und zu einem sehr persönlichen Film verarbeitet. In dieser selbstgesuchten Begrenzung sind wiederum Bilder zu sehen, wie man sie in dieser Qualität bisher nicht sah: die Choreographie der Sargträger, die echte Fledermaus in Lucys Zimmer, die originelle Totenschädel-Wanduhr, die ungewöhnlichen Bilder von Jonathan Harkers Reise, die originalen Zigeuner, die sich in ihrer Zigeunersprache über transsylvanische Vampire unterhalten, und zehntausend graue Ratten am Kai von Delft. (Eric Oluf Jauch in: Sounds)
- Dieser Film wird in den nächsten fünfzig Jahren nicht übertroffen werden - so wie es fünfzig Jahre gedauert hat, ehe jemand eine Antwort auf Murnau gewagt hat. (Werner Herzog in einem Anfall höchster Bescheidenheit, zitiert nach Sounds)
- 1978 versuchte sich, mit amerikanischer Unterstützung, der Filmemacher Werner Herzog an einer Neuverfilmung: Nosferatu, Phantom der Nacht mit Klaus Kinski in der Titelrolle sowie Isabelle Adjani und Bruno Ganz. Forget it! (Rolf Giesen in: Lexikon des phantastischen Films)
Inhalt
Wismar, in der Biedermeier-Zeit. Jonathan Harker (Bruno Ganz) bekommt vom satanisch lachenden Makler Renfield (Roland Topor) den Auftrag, zum Grafen Dracula nach Transsylvanien zu reisen, da dieser ein Haus in Wismar kaufen will. Eine gute Gelegenheit, "einmal für eine Weile aus dieser Stadt herauszukommen". Trotz Vorahnungen seiner Frau Lucy (Isabelle Adjani), die in der Obhut seiner Schwester Mina (Martje Grohmann) und deren Mann Schrader (Carsten Bodinus) verbleibt, begibt Harker sich nach Transsylvanien. Bei seiner Ankunft in einem Gasthof verursacht sein Vorhaben "Ich muss zu Draculas Schloss" grosse Beunruhigung. Die Zigeuner warnen ihn, dass "jenseits des Passes das Land der Phantome" läge. Auch ein Vampirbuch, das ihm die Wirtin überreicht, hindert Harker nicht an der Weiterreise.
Als er am nächsten Morgen dafür weder Kutscher noch Pferd erhält, geht er zu Fuss los. Bei seiner langen Wanderung durch die Natur, an Felswänden und Wasserfällen vorbei, unter riesigen Wolkenfeldern, kommt Harker dem Schloss des Grafen näher, bis ihn schliesslich in der Nacht eine Kutsche abholt und zum verfallenden Schloss bringt. Graf Dracula (Klaus Kinski) begrüsst und bewirtet ihn, und als Harker sich kurz nach Mitternacht in den Finger schneidet, saugt ihm der Graf die Wunde blitzschnell aus. "Ich will nur Ihr Bestes!" Derweil liegt Lucy wach in ihrem Bett und sieht, wie eine Fledermaus in ihren Gardinen herumklettert.
Am nächsten Morgen ist wieder reichlich gedeckt. Harker geht durch das leere Schloss. In einem Spiegel entdeckt er zwei Bisswunden an seinem Hals. Ein Zigeunerjunge geigt (schräge Töne) im Schlosshof. Später beginnt Harker sein Tagebuch. Abends vertraut sich der Graf seinem Gast Harker ungewohnt offen an. Nicht altern können sei furchtbar. "Der Tod ist nicht alles. Es gibt Schlimmeres." Zum Beispiel Jahrhunderte zu überdauern und jeden Tag dieselben Nichtigkeiten mitzuerleben. Dann lässt er sich die Pläne seines neuen Hauses gegenüber von Harkers Haus in Wismar zeigen, wobei das Medaillon mit Lucys Portrait auf den Tisch fällt. Blitzschnell hat es der Graf in seinen dürren, spitzen Fingern und ist entzückt von Lucys Hals. Er will mit einem Mal nichts mehr von Papieren wissen, sondern sofort unterschreiben. "Der Preis ist ganz unwichtig. Ich akzeptiere, was Sie für richtig halten." Dracula schmiedet bereits Pläne, denn er will noch wissen, wie lange Harker von Wismar aus unterwegs war. Im Bett liest Harker im Nosferatu-Buch, als plötzlich Graf Dracula auftaucht und sich anschickt, seinen inzwischen ohnmächtig gewordenen Gast auszusaugen. In Wismar ruft die schlafwandelnde Lucy "Jonathan!", und Dracula lässt von seinem Opfer ab.
Am nächsten Tag packt Dracula seine Särge auf eine Kutsche und fährt los. Der eingesperrte Harker lässt sich an einem zerrissenen und verknoteten Bettlaken aus dem Turmfenster herab, muss abspringen und verletzt sich. Der Zigeunerjunge vom Vortag geigt (immer noch schräg) neben dem Verletzten. Draculas mit pestverseuchter Erde gefüllte Särge werden unterdessen auf ein Schiff verladen, Jonathan liegt im Krankenzimmer eines Bauernhauses und Lucy sitzt sinnend auf dem Friedhof. Renfield ist inzwischen im Irrenhaus, frisst Fliegen und ruft: "Blut ist Leben!" Er weiss bald, dass der "Meister" mit 400'000 Ratten kommt. Der Kapitän der Contamana (ein bezeichnender Name) trägt in sein Logbuch das Verschwinden von vier Besatzungsmitgliedern ein. Er bindet sich am Steuer fest. Das Schiff legt mit dem toten Kapitän in Wismar an. Im Logbuch wird als letztes die Frage gestellt: "Kann es die Pest sein?" In Wismar macht sich Panik breit. Als auch Jonathan Harker eintrifft, erkennt er seine Frau nicht mehr, hat anscheinend Gehirnfieber und das Sonnenlicht tut ihm weh. In der Nacht sucht.
In der Nacht sucht Dracula Lucy auf und klagt ihr sein Leid: "Die fehlende Liebe, das ist ein solcher Schmerz." Er fleht sie an, seine Verbündete zu werden, doch Lucy weist ihn von sich. Inzwischen sterben immer mehr Menschen an der Pest. Lucy liest in Jonathans Vampirbuch, "wenn ihn eine Frau reinen Herzens den Hahnenschrei versäumen lässt, tötet ihn das Licht des Tages". Dracula und der geflohene Renfield treffen sich, und Dracula befiehlt ihm, mit den Ratten und dem Schwarzen Tod nach Riga zu ziehen. Lucy versucht verzweifelt, auf den Arzt Dr. van Helsing (Walter Ladengast) einzureden. Sie kenne die Ursache für all das Unheil. Van Helsing hält alles für die "Ausgeburt der Phantasie. Wir leben im aufgeklärten Zeitalter!" Lucy entgegnet ihm: "Der Glaube ist die erstaunliche Eigenschaft des Menschen, die es uns möglich macht, Dinge zu sehen, die wir als unwahr erkannt haben." Sie geht alleine zu Draculas Haus, doch der Vampir ist nicht da. Er hat sich in der Nacht über Mina hergemacht. Sie ist tot.
Zu allem entschlossen bittet Lucy Jonathan, sie in der folgenden Nacht alleine im Schlafzimmer zu lassen. Graf Dracula kommt, schiebt ihr Nachthemd hoch und trinkt dann an ihrer Kehle. Am Morgen, als er ablassen will, zieht Lucy ihn zu sich heran. Kurz nach dem ersten Hahnenschrei fällt Dracula schliesslich unter Zuckungen zu Boden. Doktor van Helsing, der die tote Lucy zuerst findet, holt einen Pfahl und einen Hammer und vernichtet den Vampir, während Jonathan Harker "Tun Sie das nicht!" ruft. Der Doktor hat inzwischen erkannt, wie recht Lucy hatte, doch auch ihm will keiner zuhören. Er soll als vermeintlicher Mörder des Grafen verhaftet werden, doch es gibt kein Gefängnis mehr. Jonathan, selbst zum Vampir geworde, mit den gleichen Rattenzähnen und spitzen Fingern wie Dracula, gibt Anweisung, den Schlafraum zu versiegeln. "Ich habe viel zu tun... jetzt." Mit seinem Pferd reitet er in die Ferne, um die Pest weiterzuverbreiten, ohne dass das Tageslicht ihm etwas anhaben kann.
Literatur
- Beverly Walker: [Produktionsbericht]. In: Sight And Sound Vol. 47 Nr. 4 (Herbst 1978)
- Nigel Andrews: [Produktionsbericht]. In: American Film Vol. 4 Nr. 1 (Oktober 1978)
- Interview mit Klaus Kinski. In: Stern Nr. 12 (1979)
- Jacques Petat, Jean Roy, Dominique Paini: De Murnau à Herzog : l'éternel retour de Nosferatu le vampir [Gespräch]. In: Cinéma (Paris) Nr. 243 (März 1979)
- Nosferatu : nach dem Film von Werner Herzog. In: Cinema Nr. 3 - 5 (März - Mai 1979) [Fotoroman mit verschiedenen Interviews]
- Peter Figlestahler: Nosferatu ohne Chancen : Werner Herzogs Film wird in Amerika bislang nicht eingesetzt. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung (05.04.1979) / Stuttgarter Zeitung (27.04.1979) / Der Tagesspiegel (06.05.1979)
- Stroszek ; Nosferatu : zwei Filmerzählungen / Werner Herzog. - München ; Wien : Hanser, 1979. - (Drehbücher III) S. 77-165
Kritik
- [Le] film, essentiellement symbolique, a pourtant le mérite de souligner le caractère prémonitoire du Nosferatu de Murnau : Dracula et ses rats représentent évidemment Hitler et ses acolytes installant la peste brune en Allemagne. Le film se regarde comme un tableau, avec décor néo-baroque et lourds rideaux de velours, visages exsangues et lumière de cendre. Klaus Kinski donne au personnage de Nosferatu une dimension tragique souvent plus proche de l'humain que du vampire - il fait de Dracula un être monstrueux en quête d'une femme mais que ses pulsions homosexuelles entraînent aussi vers Jonathan. [...]
- In Murnau's film, the vampire is pure evil invading a small German community (Herzog feels that the 1922 film adumbrated the rise of Nazism in Germany). Herzog's vampire is much more sympathetic. An outcast from society, Kinski's Nosferatu longs for contact, acceptance, and even love from the humans who fear and revile him. Sadly, his curse and death's-head appearance forever prevent this. The vampire's undead state and need for blood seem to be presented as a horrible, irreversible disease, rather than an inherently evil harbinger of hell. While this isn't exactly an innovation in the development of the horror film (Tod Browning's Dracula from 1931, starring Bela Lugosi, had moments of pathos, as does George Romero's Martin), Herzog and Kinski succeed here because they convey a sense of pity for a creature so visually repulsive it's hard to look at him. [...]
- Hans C. Blumenberg. In: Die Zeit Nr. 3 (12.01.1979)
- Wolfgang Limmer. In: Der Spiegel Nr. 3 (15.01.1979). - Dazu Leserbrief von Werner Herzog in: Der Spiegel Nr. 10 (1979)
- Andreas Razumovsky. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.01.1979)
- Gérard Dupont, Vincent Godeau. In: Cinématographe Nr. 44 (Februar 1979)
- Raphael Bassan: [mit Interview]. In: Ecran (Paris) Nr. 77 (15.02.1979)
- Volker Baer. In: Der Tagesspiegel (25.02.1979 und 28.04.1979)
- Wolfram Schütte. In: Frankfurter Rundschau (26.02.1979)
- Emmanuel Carrere. In: Positif Nr. 216 (März 1979)
- Hanns Maul. In: Filmbeobachter Nr. 4 (März 1979)
- Peter W. Jansen. In: Kirche und Film Nr. 3 (März 1979) Kino-Notizen 46
- Heike Huerst. In: Frauen und Film Nr. 19 (März 1979)
- Hans Gerhold. In: Film-Dienst (07.03.1979) FD-Nr. 21118
- Walter Vian. In: Zoom-Filmberater Nr. 13 (21.03.1979)
- Bion Steinborn. In: Filmfaust Nr. 13 (April-Mai 1979)
- Rolf Silber: Wie aus dem "Nosferatu" ein Stumpfzahnvampir wurde [Beschreibung einer Sequenz]. In: Filmfaust Nr. 13 (April-Mai 1979)
- Peter Buchka. In: Süddeutsche Zeitung (12.-13.04.1979)
- Philipp Strick. In: Sight And Sound Vol. 48 Nr. 2 (Frühjahr 1979)
- Tom Milne. In: Monthly Film Bulletin Nr. 546 (Juli 1979)
- Damian Cannon: Nosferatu the Vampyre (Movie Reviews)
- Nosferatu, Phantom der Nacht
Auszeichnungen
- Nominiert für die beste Regiearbeit am Internationalen Berlin Film Festival 1979