1996.03.29 Wochen-Zeitung "Die Aare fliesst durchs Dead Valley"

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Autor Karoline Arn
Veröffentlichung 1996.03.29 Wochen-Zeitung

Die Aare fliesst durchs Dead Valley

Moudi - die neue CD von Stiller Has

Wer im Sommer lieber zu Hause bleibt und sich die Sonne auf den Pelz scheinen lässt, ist vielleicht ein Moudi und macht Reisen im Gring. Wer nicht weiss, was ein Moudi ist, kann noch viel lernen. Wer weiss, was Moudi ist und Moudi hört, weiss nachher bestimmt mehr. Das Berner Duo Stiller Has erzählt seine Geschichte weiter.

Eigentlich sollten die eigenen Worte weggeräumt werden (ebenso die Töne, wenn man welche hat), wenn Stiller Has in der Nähe ist. Worte ergeben normalerweise einen Sinn. Die Worte und Töne von Stiller Has trampeln auf dem Lachen herum oder reissen Welten von Plakatwänden. Es zählt zu den grösseren Freuden, ein weiteres Kapitel in der Stillen-Has-Geschichte zu kennen.

Alle Lieder bestehen aus Strophen und Refrains. Die Refrains sind da, damit die Strophen verstanden werden, erklärt Endo Anaconda, Poet und Stimmperformer. Die Refrains sitzen, einmal gehört, bereits fest. Wir haben zwei Teile, weil wir nicht immer dasselbe singen und spielen können, aber vielleicht besteht die nächste CD nur aus Refrains... Ein Müsterchen: "Verlore wie ne Gagu, schwäbe ig dür z läre All. U us däm All da gits ke Uswäg, will das huere All isch überall."

Während die letzte CD, Landjäger, von einem Blasorchester begleitet wurde, haben sie Moudi zu viert aufgenommen. Der Multimusikalist Balts Nill und Endo Anaconda bilden das eigentliche Stille-Has-Duo; dazugeholt wurden Kontrabassist Mich Gerber und Gitarrist Frank Gerber. Diese vier Musiker haben einejahrelange gemeinsame Geschichte und werden von Endo Anaconda als Glücksgriff bezeichnet, was sich in der musikalischen Brillanz bestätigt. Mit Mich Gerber spielte er vor den Stillen-Has-Zeiten als Die Alpinisten. Zu viert werde der Duo-Charakter mehr erhalten, im Gegensatz zu den Aufnahmen für die Landjäger-CD: "Für die Hene-Szene, um diese Realität auszudrücken, hat es einfach ein Blasorchester gebraucht."

Mit all seinen Stücken spielt der Stille Has ein Lied. Ein Lied, das immer weitergeht. Viele dieser Orte und Figuren sind aus früheren Produktionen bekannt und treten immer unerwartet auf; gegenüber den letzten Veröffentlichungen, Landjäger und Wolf, ist Moudi stiller, vielleicht auch etwas versteckter verspielt, abgrundtief und, wie es das Markenzeichen verspricht, genial. Obwohl alle Lieder miteinander zu tun haben, da auf dem gleichen Mist gewachsen, wie Anaconda begründet, lässt die Vielfalt nicht zu wünschen übrig. Hinter einfachen Namen verbergen sich Dinge, die wir alle kennen, aber nicht so.

Das Stück "Aare" überbringt litaneienhaft und eindringlich vorgetragen den Ratschlag, an der Aare entlang zu gehen, die Melodie lässt sie durchs Dead Valley fliessen, trotzdem heimatlich, denn: "D Wällebrättler tüe wällebrättle uf dr Aarewälle." "Käthi" gehört ebenso zum Leben auf dem Land wie der Metzger: "U dr Metzger, da schiesst schnäu, das weis me, mit emene Härz us Schtei und ere zittrige Hand." Die Reise, die nicht im Sommer angetreten wird, sondern immer im Gring, zu Gitarrenakkorden wie Glockenschlägen, erstreckt sich über die drei Titel "So long Hasi", "Löcher" und "All-Has". Eine Reise im Kopf ist immer auch einsam. Anaconda: "Die Tatsache allein, dass man zur Venus fliegen will, zeugt von Einsamkeit." Jedoch vermag keines der "Löcher", keine Reise im Kopf, keine dritte, vierte und fünfte Dimension den Wilden Has zu bändigen: "Scho dr Lehrer i dr Schuel het gseit, i sig e wilde Bueb." So wie dieses Lied schon Geschichte hat, sind die "Ängle", mit dem Teufel im Schlepptau, erst im Studio aufgetaucht. Kurz wurde das Stück geübt, dann aufgenommen und stehengelassen. "Ängle" sei der Sahneklecks oben drauf. Worüber die Gebrüder Grimm nie ein Wort verloren haben, nämlich über die Zwerge Mid-life-crisis, gibt es nun die "Mannli"-Geschichte. Die Drehorgel spielt eine Trickfilmmelodie mittelalterlicher Prägung dazu.

Übrig bleibt nur noch der "Moudi". Das berndeutsche Wort für eine männliche Katze, ebenso für einen gewissen Typ Menschen: "Moudine können auch Giele sein, neben den Schuhen, häuslich, aber trotzdem immer abhauen... Moudi ist eigentlich eine Befindlichkeit, als Berner Wappentier besser geeignet als der Bär", beschreibt Anaconda. "I am not a Fatman, I am not Scatman, I am not Badman, I am Catsman."

Stiller Has ist im deutschen Sprachraum ein Begriff geworden, hat den Salzburger Stier und den Deutschen Kleinkunstpreis erhalten. Landjäger wurde zur CD des Jahres 1994 gewählt. Vor fast sechs Jahren spielte Stiller Has am zehnjährigen WoZ-Jubiläum im Bierhübeli, Bern, wo er viele ZürcherInnen hinter dem Ofen hervorgelockt hat, seither ist der Berühmtheitsgrad kontinuierlich gestiegen. Mit ihrem Tourneestart Anfang April kann man wieder eine Nase voll nehmen. Zwei Monate sind Stiller Has zu viert unterwegs, danach wieder als Duo. Es gibt Sachen, die nur auf der Bühne gemacht werden, die nie auf eine CD kommen. Bühne und CD sind zwei verschiedene Sachen. Wovon die eine schöner ist, die andere dafür etwas länger hält. Zu empfehlen ist beides.

Bern, Wasserwerk, Di, 2., Mi, 3., und Do, 4. April, anschliessend in der ganzen Deutschschweiz unterwegs. Weitere Daten im aktuellen Veranstaltungskalender. Die CD Moudi erschien im Zytglogge-Verlag.