Jürgen Fehling

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Deutscher Theaterregisseur

Bibliographie Theaterstücke

geboren am 6. März 1885 in Lübeck, gestorben am 14. Juni 1968 in Hamburg

Jürgen Fehling nahm Schauspielunterricht bei Paul Wegener und Kayssler und hatte 1910 sein erstes Engagement am Neuen Schauspielhaus Berlin (Nollendorfplatz). Von 1911 bis 1913 spielte er an einer märkischen Wanderbühne, 1913-1914 an der Volksbühne Wien, von 1918-1922 an der Volksbühne Berlin, wo er seinen Durchbruch als Regisseur erlebte. Von 1922-1944 arbeitete er mit Unterbrechung am Staatstheater Berlin. Fehling machte in der Nazizeit, im Schatten, aber auch geschützt von Gustaf Gründgens, wesentliches, oft beunruhigendes, riskantes Theater.

Fehling knüpfte als Regisseur an Brahm an und lehnte Max Reinhardt ab. Er begann unter expressionistischen Vorzeichen und vereinigte aller Widersprüche dieser ideologischen Erscheinung, ohne deren fortschrittlich-demokratische Seiten weiterzubilden. Mit seinen Bühnenbildnern entwickelte er das Guckkasten-Theater, ohne es zu überwinden, förderte antiillusionistisches Theater und führte seine Schauspieler zu körperlich-räumlichem Spielen, oktryierte ihnen seine Vorstellungen und zwang sie zu suggestiver Spielweise. Als Regisseur arbeitete er spontan, intuitiv und ohne Regiebuch, darum sind wenige Quellen vorhanden. Er führte das Regiethater zur Übermacht, war ein Wort- und Klangregisseur von hoher Musikalität und Sprachempfinden, besonders in Komödien von ungewöhnlichem Einfallsreichtum.

Er forderte Gegenwartsstücke, unter anderem von Barlach, die er aber entgegen Barlachs Willen dämonisierte, oder von Kaiser, vor denen er versagte. Aus Jean-Paul Sartres Die Fliegen, urprünglich einem Résistance-Stück, holte er die reaktionären Elemente heraus und machte es zu einem Stück der Rechtfertigung. Weltanschaulich war er konservativ-bürgerlich, philosophisch idealistisch bis irrational verworren, politisch rechts stehend - so dämonisierte er Kunst wie Wirklichkeit (Buch Die Magie des Theaters, 1965) und war damit besonders bei Shakespeare-Inszenierungen ein Gegenstück zu Engel. Versuche Wolfgang Langhoffs, Fehling in ein demokratisches Theater zu integrieren, scheiterten, die Übergangsgestalt blieb eine Gestalt der bürgerlichen Endzeit. Obwohl er Lehrer einer Generation von Schauspielern und Regisseuren (beispielsweise Walter Felsenstein) war, war er nicht unmittelbar ensemble- oder schulebildend.

Nach Kriegsende, im Juni 1945 gründete Jürgen Fehling in Berlin die "Jürgen-Fehling-Theater-Gesellschaft"; die erste Aufführung fand bereits am 6. Oktober 1945 in einem Zehlendorfer Kino statt: Goethes Urfaust mit Konrad Wagner als Faust, O. E. Hasse als Mephisto, Joana Maria Gorvin als Margarethe. Nach einer zweiten Produktion, Paul Raynals Das Grabmal des unbekannten Soldaten am 24. Januar 1946, musste das Theater schliessen, da die Schauspieler Engagements an staatlichen Bühnen fanden.

Der Versuch, Fehling an das Deutsche Theater Berlin (Intendanz: Wolfgang Langhoff) zu binden, schlug fehl; gleichermassen zerschlugen sich Pläne, Fehling die Direktion des Berliner Hebbel-Theaters zu übergeben. An diesem Theater inszenierte er am 7. Januar 1948 Jean-Paul Sartres Die Fliegen mit Joana Maria Gorvin als Elektra, Kurt Meisel als Orest, O. E. Hasse als Jupiter. Für diese Inszenierung erhielt Fehling den Kritikerpreis der Zeitschrift Athena. Nach der Premiere hätten Verhandlungen über eine Inszenierung von Strindbergs Der Vater mit Fritz Kortner als Rittmeister stattfinden sollen.

Unerwartet starb in jenen Tagen der Direktor des Hebbel-Theaters, Karl-Heinz Martin. Jetzt bewarb sich Fehling um die Intendanz. Ungebärdig wetterte er gegen die Trägheit der Instanzen und die mangelnde Befähigung vieler Kollegen. In Kortner witterte er offensichtlich einen Konkurrenten. In unbedachtem Eifer liess er im Theater eine schwer entschuldbare, geschmacklose antisemitische Äusserung über den Heimkehrer fallen, die sofort kolportiert wurde und durch die Presse ging. Die offiziellen Stellen, die Kulturbeamten und alliierten Behörden, sowie alle Theaterleiter distanzierten sich von Fehling und brachen ihre Verhandlungen mit ihm ab. Dabei war er im Innersten als Künstler davon überzeugt, dass er und Kortner "gottgewollte Partner" wären. Sein Neuanfang in Berlin war damit jedenfalls gescheitert und er ging nach München, wo sich erst 1951 eine Versöhnung ergab.

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Jürgen Fehling

Da es Fehling nicht gelang, mit einer Berliner Bühne eine längerfristige Bindung einzugehen, übersiedelte er zusammen mit Joana Maria Gorvin nach München. Er inszenierte dort am Theater am Brunnenhof Hebbels Maria Magdalena (18. Mai 1949), Ibsens Nora (22. März 1950) und Federico Garcia Lorcas Donna Rosita oder Die Sprache der Blumen, jeweils mit Joana Maria Gorvin in der Hauptrolle; am Münchener Residenztheater inszenierte er Ludwig Tiecks Ritter Blaubart. Mit keiner der drei Inszenierungen vermochte Fehling das Münchener Publikum noch die Intendanz des Staatsschauspiels zu überzeugen; die Blaubart-Premiere artete zu einem handfesten Theaterskandal aus.

Jürgen Fehlings letzte Inszenierung war Friedrich Schillers Maria Stuart am 27. September 1952 am Berliner Schiller-Theater mit Joana Maria Gorvin in der Titelrolle, Elisabeth Flickenschildt als Elisabeth und Martin Held als Leicester. Ein erneuter Versuch einer dauernden Existenzsicherung in Berlin misslang wiederum. Fehling verfiel zunehmend in Depressionen, eine klinische Behandlung wurde nötig. Letzte Arbeitsversuche, Ende 1953 in Frankfurt an Fritz Rémonds Theater und im November 1959 in München - er sollte dort Strindbergs Fräulein Julie inszenieren -, mussten abgebrochen werden.

Fehling und Joana Maria Gorving übersiedelten nach Hamburg. Am 6. März 1960 arrangierte Gustaf Gründgens im Deutschen Schauspielhaus eine Feier zu Fehlings 75. Geburtstag. Der Gefeierte resümierte die Erfahrungen seines Theaterlebens: "Alles Theater deutscher Sprache und deutschen Wetters ist (ob Poesie oder Tragödie) in Wirklichkeit Totentanz. Die Anmut, die Gewalt des Todes ist die grosse Hexerei des Theaters. Solange Menschen leben und sterben und den Tod fürchten, wird es Theaterspiel geben. Ritter, Tod und Teufel heisst die Dreifältigkeit dieser schönen Sache." - Fehling starb am 14. Juni 1968 in Hamburg in einer Nervenheilanstalt.

Dass Jürgen Fehling unter den "Regieklassikern" des deutschen Theaters im 20. Jahrhundert wohl die "genialischste und genialste Persönlichkeit" [Carl Zuckmayer] war, ist nahezu einmütig der Tenor aller, die sich heute um eine würdigende Annäherung an die Regiekunst dieses Theatervisionärs bemühen. Gewiss aber war er - Rudolf Noelte nennt ihn den "unopportunistischsten", den "protestantischsten Regisseur" - auch derjenige, dessen Werkbesessenheit die meisten Reibungsflächen bot.


Bibliographie

1965 Jürgen Fehling Buch Die Magie des Theaters (Äusserungen und Aufzeichnungen) Velber mit einem Essay von S. Melchinger
(Reihe Theater heute 17)

Sekundärliteratur

1968 L. Mannheim Artikel Über Jürgen Fehling In: Theater heute 2 Heft 8 S. 14-17
1978 Buch Jürgen Fehling (Der Regisseur, 1885-1968) Berlin (Katalog 121 der Akademie der Schönen Künste)
1985 (Hrsg.) G. Ahrens) Buch Das Theater des deutschen Regisseurs Jürgen Fehling Berlin