Domenica Niehoff

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Domenica Niehoff 1987

Deutsche Hure und Sozialarbeiterin ; geboren 3. August 1945 in Köln, gestorben 12. Februar 2009 in Hamburg-Altona

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Domenica Niehoff wurde kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs im zerstörten Köln als Tochter eines gewalttätigen Italieners geboren. Ihre Mutter floh später mit den Kindern aus dieser Ehe und lebte von Kartenlesen, Taschenspielereien und anderen Betrügereien, bis sie verhaftet wurde. Domenica und ihr Bruder Amando kamen in ein katholisches Waisenhaus, nur die kleine Schwester blieb bei der Mutter. So wuchs Domenica zehn Jahre bis zu ihrem 14. Lebensjahr in einem katholischen Waisenhaus auf und machte dann eine Ausbildung als Buchhalterin. Als 17-jährige lernte sie einen 42-jährigen Bordellbesitzer kennen, den sie später heiratete. 1972 erschoss sich ihr Ehemann vor ihren Augen mit einer Pistole.

1972 wurde sie vom berühmten Hanne aus der "Ritze" nach Hamburg geholt und sie begann, im Grossbordell "Palais d'Amour" und an der Herbertstrasse im Hamburger Vergnügungs- und Rotlichtviertel St. Pauli als Prostituierte zu arbeiten, wo sie ihren üppigen Körper auch im Schaufenster zeigte; später betrieb sie ein eigenes Studio als Domina. 2008 berichtete sie in ihrem letzten grossen Interview: "Ich hatte alles. Alle Schichten. Sie waren winselnd, bettelnd, fordernd, gemein. Brav, lieb, reich, arm, jung, alt. Ich weiss gar nicht, was mir noch fehlte."

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Domenica im März 1979

Als bekannte Prostituierte kam sie in Kontakt mit Prominenten aus Kunst und Kultur und diente ihnen als Muse. Im März 1979 lichtete der tschechische Fotograf Andrej Reiser Domenica schwarzweiss in Arbeitskleidung auf dem Kiez ab, die Fotografien erschienen im erfolgreichen Buch Domenica und die Herbertstrasse (1981) beim Eichborn-Verlag. Der Schriftsteller Wolf Wondratschek widmete ihr Gedichte, er schwärmte "eine Hure bis hinein in ihr grosses träges Herz", "und bis in die Beine eine Frau", "wenn sie mit dem Hintern wackelt, fliessen die Flüsse bergauf". Besonders in den 1980er Jahren genoss Domenica als Aushängeschild der Hurenemanzipation eine erstaunliche Medienpräsenz und verkehrte gesellschaftlich später mit Tomi Ungerer, Horst Janssen, Alfred Hrdlicka und dem Ehepaar Gloria und Johannes von Thurn und Taxis. "Als ich mich outete, war das Leben in Hamburg zuerst die Hölle. Alle haben mich angestarrt", sagte sie 1998.

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Domenicas Dekolleté auf den Vorderseiten der 7" Single Bum bum und der 12" Single Bum bum der Gruppe Trio

1980 trat sie im Film Messalina, Kaiserin und Hure auf, ihr ausladendes 115 oder gar 122 cm-Dekolleté zierte die Hülle der Trio-Single Bum bum (1983) und sie war auch in der weiblichen Hauptrolle des zugehörigen Musikvideos zu sehen. 1987 wirkte sie im Spielfilm Taxi to Cairo mit.

1990 beendete sie als 45-jährige ihre Tätigkeit als Hure und begann verstärkt an sozialen Projekten für Prostituierte mitzuwirken. Im selben Jahr war sie in Bertolt Brechts Ballett-Oper Die sieben Todsünden am Hamburger Schauspielhaus zu sehen. 1991 war sie Mitinitiatorin des Prostituierten-Hilfsprojektes Ragazza e. V. im Hamburger Stadtteil St. Georg. Als Sozialarbeiterin betreute sie in der Drogenberatungsstelle Drosselstrasse in Barmbeck bis 1997 junge drogensüchtige Mädchen und Frauen, die ihre Sucht durch Prostitution finanzierten und aus der Prostitution aussteigen wollten. Immer wieder nahm Domenica die Mädchen mit zu sich, vor allem in der Zeit, als sie als Sozialarbeiterin mit einer Thermoskanne voll Kakao über den Drogenstrich von St. Georg ging. In Schwatzsendungen im Fernsehen warb sie nicht nur für gesellschaftliche Anerkennung, sondern auch dafür, den Berufsstand der Prostituierten zu legalisieren. Gleichzeitig nahm sie dem "Milieu" mit ihrer trockenen und ehrlichen Beschreibung der Kiez-Wirklichkeit jenen verruchten Glanz, dem sie ihren eigenen gesellschaftlichen Aufstieg verdankte.

1992 veröffentlichte sie eine Single, Alle meine Freier (Hiessen alle Meier), geschrieben von Franziska Menke (ex-Frl. Menke) und Harry Gutowski. Anlässlich der Internationalen Comic-Tage in Hamburg 1993 widmeten ihr neun bekannte Comiczeichner ein Portfolio mit neun Blättern. Im selben Jahr stellte sie in Peter Kerns Film Domenica sich selber dar und veröffentlichte 1994 ihre Autobiographie Körper mit Seele, die allerdings von Hans Eppendorfer geschrieben worden war. Im August 1996 nannte sie diese Biographie in einem Interview schlicht "beschissen". Domenica: "Ich habe ja nicht mal das Manuskript vorher lesen dürfen. Nach dem faulen Ei muss ich nochmal was Richtiges machen."

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Domenica Niehoff 1996 als "Gegenpäpstin"

Anlässlich des Deutschlandbesuchs von Papst Johannes Paul II. im Juni 1996 wurde Domenica Niehoff von der Deutschen AIDS-Hilfe in Berlin zum weiblichen Kirchenoberhaupt gekürt. Als "Gegenpäpstin" sprach sie an einem lesbisch-schwulen Stadtfest den Transvestiten Charlotte von Mahlsdorf "heilig". Gleichzeitig propagierte "Ihro Dreistigkeit" die gleichgeschlechtliche Sexualität als "kirchlich gebilligte Methode der Schwangerschaftsverhütung". Konservative Politiker der CSU stellten daraufhin im Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf vor (Beschimpfung eines religiösen Bekenntnisses ohne Störung des öffentlichen Friedens), der jedoch von der Parlamentsmehrheit abgelehnt wurde.

Im Februar 1997 spielte sie neben Jean-Pierre Cornu am Deutschen Schauspielhaus im Theaterstück Straglers Woche (Eine St. Pauli Saga) die Frau des Senators. Das Stück thematisiert den Wandel im Rotlichtmilieu in den vergangenen 50 Jahren. Im selben Jahr servierte sie im Hamburger Restaurant "Nil" zusammen mit anderen Prominenten ein Grühnkohl-Essen zugunsten des AIDS-Hilfe-Projekts "Hamburg Leuchtfeuer", war in Dagobert Lindlaus' Theaterstück St. Pauli Saga zu sehen, unterstützte das Kinderheim "Haus Nazareth der Armen Kinder Jesu", engagierte sich weiterhin in der Prostituierten- und AIDS-Hilfe und hielt dafür auch Lesungen. Im Dezember 1997 gab Domenica ihre Arbeit als als "Strassensozialarbeiterin" beim Projekt Ragazza auf: "Ich halte das nicht mehr aus. Mir sind mehr als ein halbes Dutzend Mädchen weggestorben: An einer Überdosis Gift, an AIDS, und eine wurde ermordet. Das hält man vielleicht als 35-Jährige aus, aber nicht mehr mit meinen 52 Jahren."

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Domenica Niehoff und Gäste in ihrer Kneipe in St. Pauli

Anfang 1998 kaufte Domenica die Hamburger Hafenkneipe "Fick" am Fischmarkt und taufte sie in "Domenica" um. Zudem eröffnete sie als Partnerschaftsberaterin den Neuen Partnerclub / NPC mit dem Motto "Niemand muss allein sein - es kommt darauf an, mitzumachen!" - für 20 DM im Monat war man dabei. Immer Mittwochs sass Domenica persönlich am Telefon und beriet in Partnerfragen aller Art. Der Club vertrieb im übrigen auch allerlei Spielzeug, Bücher, Magazine und sonstige Hilfsmittel... Am 10. Februar 1999 wurde auf RTL der Fernsehfilm Hurenstreik (Eine Liebe auf St. Pauli) ausgestrahlt, in dem Domenica einmal mehr sich selbst spielte. Bereits im Jahr 2000 musste sie ihre Kneipe wegen finanzieller Schwierigkeiten (20'000 DM Steuerschulden) schliessen und schaltete stattdessen Kleinanzeigen für Telefonsex ("Kein Vorspiel - direkt zur Sache").

2001 starb ihr Bruder Amando, von ihm erbte sie ein Haus im kleinen Dorf Boos in der Eifel, wohin sie 2003 umzog und erfolglos versuchte, als Pensionswortin Zimmer zu vermieten. Schliesslich verkaufte sie das Haus für unter 100'000 Euro und zog im Mai 2008 wieder zurück nach Hamburg an die Talstrasse: "In Boos war das so langweilig, ich hab nur gekocht, gefuttert, gekocht, gefuttert. Ehrlich, ich bin da völlig vereinsamt." Mit 20 Kilo mehr auf den Rippen lebt sie jetzt in einer 50 Quadratmeter grossen Zwei-Zimmer-Wohnung. "Ich paffe zwei Schachteln am Tag, hab Diabetes und hab's mit den Bronchien. Egal, Hauptsache ich bin wieder zu Hause. Hier auf’m Kiez bleibe ich jetzt für immer! Mein Rentnersitz. Ich hab einen schönen Wintergarten und gucke direkt auf die 'Juwelengasse'", lachte sie und meinte die Schmuckstrasse, wo sich der Transenstrich befindet.

Vom 4. November 2005 bis 7. Mai 2006 wurde in Hamburg im Museum der Arbeit die Ausstellung "Sexarbeit Prostitution (Lebenswelten und Mythen)" gezeigt, die berühmten Prostituierten wie Rosemarie Nitribitt, Christine Keeler und auch Domenica Niehoff besondere Beachtung schenkte. Im Sommer 2008 gab sie Welt Online ihr letztes grosses Interview: "Ich habe erreicht, dass mehr über Prostitution geredet wird. Dass nicht mehr so darüber getuschelt wird. Dass sich Mädels trauen zu sagen: Ich war im Milieu, aber ich will jetzt aussteigen."

Zu Domenica Niehoffs letzten Plänen gehörte die Eröffnung eines Flohmarkt-Ladens auf dem Kiez sowie die Veröffentlichung eines letzten Buches über ihr Leben: "Gespickt mit viel Elend und Leid, aber letztlich voller Sonne und Optimismus." Am 6. Februar 2009 wurde Domenica Niehoff mit schweren Kreislaufbeschwerden in die Intensivstation des Allgemeinen Krankenhauses Altona in Hamburg eingeliefert. Sie war unter anderem schwer zucker- und lungenkrank. Am 12. Februar 2009 um 10 Uhr 44 starb sie.