Theaterstück "Die heilige Johanna" (George Bernard Shaw)

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Originaltitel Saint Joan
Form Dramatische Chronik in sechs Szenen und einem Epilog
Autor George Bernard Shaw
Uraufführung 1923.12.28 New York, Garrick Theatre (Theatre Guild)

Die Idee zu dem 1923 von George Bernard Shaw geschriebenen Stück Die heilige Johanna war mindestens zehn Jahre alt. Auf einer Autofahrt in Frankreich schrieb Shaw 1913, er habe "das ganze Jeanne d'Arc-Land" durchstreift, er werde eines Tages ein Stück über die Johanna schreiben, er werde mit dem Zusammenkehren der verkohlten Reste und der Orangenschalen nach ihrem Märtyrertod beginnen, und die nächste Szene zeige Johannas Ankunft im Himmel. Das Stück wurde im Dezember 1923 von der Theatre Guild in New York mit Winnifred Lenihan als Johanna uraufgeführt. Im März 1924 folgte London mit Sybil Thorndike in der Hauptrolle; im Oktober 1924 führte Max Reinhardt das Stück mit Elisabeth Bergner am Deutschen Theater in Berlin auf.

Die heilige Johanna gab Shaw nicht nur eine Publizität ohnegleichen, es wurde auch ein enormer Kassenerfolg und Shaw erhielt einen weltweiten Ruf, wie ihn ein Dichter selten bei Lebzeiten erringt. Protestanten und Katholiken waren gleichermassen erbaut; ja, man vermutete, er sei katholisch geworden oder habe die Absicht, es zu werden. Shaw verneinte das mit dem Hinweis, zwei Päpste könne die Kirche nicht tragen. Im übrigen behauptete er, er habe lediglich die Dokumente und Akten wiedergegeben, die ganze Geschichte habe sich so abgespielt, wie er sie dargestellt habe. Im Vergleich mit Schillers Jungfrau von Orleans trifft dies wohl zu, gar nicht zu reden von Shakespeare, bei dem Johanna als böse Zauberin erscheint. Trotzdem schuf Shaw in ihr eine Gestalt, die fast wie ein Märchen wirkt.

Inhalt

1. Szene: Im Schloss von Vaucouleurs, Frühlin 1429. Hauptmann Robert von Baudricourt und sein Verwalter. Das Volk glaubt an einen Fluch, der erst weichen wird, bis Robert das Mädchen aus Lothringen empfängt. - Johannas Mitteilung der Befehle ihres Herrn, des Königs im Himmel, für Robert: sie soll ein Pferd mit Rüstung bekommen und mit einigen Soldaten dann zum Dauphin Karl (Klaus Kinski) geschickt werden. Robert versucht vergeblich, Bertrand von Poulengey zu überzeugen, dass dessen vertrauen in das Mädchen und die Gefolgschaft anderer Soldaten für ihre verrückten Ideen zu Schwierigkeiten führen können. Johannas einfache Erklärung der nationalen Verteidigung gegen die Engländer, die in ihrem eigenen Lande mit eigener Sprache bleiben sollen, kann der feudale Lehnsherr nicht verstehen, schickt sie aber doch zum Dauphin. Den Soldaten, Begeisterung zu Kämpfen und dem Dauphin ein wenig Mut einzuflössen, scheint des Versuches wert.

2. Szene: Thronzimmer im Schloss Chinon. Gilles de Rais, Blaubart genannt, verhöhnt La Hire, der Johanna für einen verkleideten Engel hält. Der Dauphin, von dem Erzbischof von reims und La Trémouille als Schuljunge behandelt, hofft in Johanna eine kleine Privatheilige zu bekommen, die ihn verteidigen werde. Blaubart macht den Vorschlag, Johanna über die Person des Dauphin zu täuschen, um festzustellen, ob sie wirklich ein Engel sei. Johanna, vom Hof wegen ihrer männlichen Kleidung verspottet, erkennt mit Sicherheit den Dauphin. Johanna und Karl. Die Mutlosigkeit des an den Adel verschuldeten Königs. Johannas Vertrauen, seine Krönung erreichen zu können, entspringt ihrem Glauben an Gott. Plötzlicher Entschluss des Dauphins: er überträgt Johanna den Oberbefehl über das Heer.

3. Szene: Orléans, 29. Mai 1429. Der schöne, tapfere, unbesiegbare Bastard von Orléans, Dunois, muss auf Westwind warten, um die Engländer angreifen zu können. Dunois erkennt zwar Johannas Fähigkeit zu kämpfen, will aber an seinem Vorsatz festhalten, dass sie ihm nur "als Heilige und nicht als Soldat willkommen ist". Er will sie in die Kirche führen, aber schon hat sich der Wind gedreht.

4. Szene: Zelt im englischen Lager. Kaplan von Stgumber ist erschüttert über die Niederlagen der Engländer. Warwick ist in Verhandlung mit dem Bischof von Beauvais, Peter Cauchon, um die Verbrennung der Jungfrau als Hexe zu erreichen. Der französische Bischof ist bestrebt, die Seele der Jungfrau zu retten. Der englische Graf sucht das Mädchen zu vernichten, weil das französische Volk, durch sie geführt, den Kampf gewinnen könne.

5. Szene: Kathedrale von Reims. Nach der Krönung des Dauphin zu König Karl VII. Dunois unterbricht Johanna beim Gebet. Er ist ihr einziger Freund unter dem Adel. Sie kann nicht verstehen, warum eifersüchtige Priester und Ritter, die sie zum Sieg geführt hat, ihr feindlich sind. - Karl VII., von der Krönung ermüdet, ist froh, dass Johanna heimkehren will. Nur La Hire ist bereit, der Jungfaru überall zu folgen. Dunois, von Johanna begeistert, glaubt jetzt doch seinen eigenen soldatischen Fähigkeiten mehr Vertrauen zu müssen, als Gott.

6. Szene: Rouen, 30. Mai 1431. Warwick hat Johanna den Burgundern, die sie gefangen haben, abgekauft. Mit dem Eingreifen des Inquisitors sind jetzt die monatelang dauernden kirchlichen Voruntersuchungen beendet. Cauchon ist noch immer bereit, Johanna zu retten. Bruder Martin, ein junger Dominikaner, ist auch auf ihrer Seite. Die wildesten Ankläger sind der englische Kaplan und ein Domherr von Paris. Cauchon beginnt zu hoffen, als Johanna erklärt, der Kirche gehorchen zu wollen. Aber ihre Einschränkung "Vorausgesetzt, dass sie nichts Unmögliches befiehlt", stempelt das Mädchen wieder zur Ketzerin. Als sie begreift, dass man sie verbrennen will, kommt die Angst und damit der Zweifel an den Stimmen ihrer Heiligen. Sie unterzeichnet den Widerruf ihrer Sünden. Nach der Mitteilung des Inquisitors, dass sie vom Bannfluch befreit, aber zu lebenslänglichem Kerker verurteilt sei, zerreisst sie das Schreiben.

Epilog Juni 1456. König Karl VII. liest nachts in seinem Bette liegend. Bruder Martin bringt die Nachricht, dass die neuerliche Untersuchung beendet und die vor 25 Jahren verbrannte Johanna, die Karl gekrönt hat, rehabilitiert ist. - Wie in einem Traume Karls erscheint Johanna und fragt nach Ereignissen, die ihrem Tod folgten. Es kommen Figuren, die an ihrem Schicksal Anteil hatten. Cauchon beklagt das Gericht, das ihn jetzt wegen Johannas Tod verurteilt und seinen Leichnam exkommuniziert habe. Dunois entschuldigt sich bei Johanna, weil er ihr Leben nicht verteidigt habe. Er ist noch nicht tot. Sein Geist, von Johanna gerufen, hat den schlafenden Körper im Bett zurückgelassen. Ein einfacher englischer Soldat, der einmal im Jahr Ausgang aus der Hölle hat, als Belohnung dafür, dass er der sterbenden Johanna zwei als Kreuz zusammengebundene Stöcke gegeben hat. Der englische Kaplan erklärt, dass ihn nicht die Kreuzigung des Herrn, die er nur von Bildern kannte, erlöst hat, sondern der furchtbare Anblick der Verbrennung eines Mädchens. Der Scharfrichter, der als Meister seines Handwerks Johanna nicht töten konnte. Warwick bedauert voll Höflichkeit den notwendigen politischen Irrtum. Ein Herr in moderner Kleidung berichtet über die eben im Jahre 1920 stattgefundene Heiligsprechung. Alle knien vor Johanna nieder. Auf ihre Frage, ob sie unter die Lebenden zurückkehren solle, ziehen sich die Geister der hohen Herren schnell zurück, der Soldat aber muss mit der Mitternachtsstunde wieder in die Hölle. Der Epilog klingt in der Frage aus: "O God that madest this beautiful earth, when will it be ready to receive Thy saints? How long, o Lord, how long?"

Aufführungen

Deutscher Titel Die heilige Johanna
Regie
Bild
Darsteller Klaus Kinski (Dauphin Karl) u. a.
Sprache Deutsch
Erstaufführung 1962 München, Theaterfestspiele

Klaus Kinski erzählt von der Aufführung des Stücks während der Theaterfestspiele in München 1962:

Datei:1991kinski klausBUCHichbraucheliebe.jpg

Internationale Theaterfestspiele in München. Es interessiert mich nicht, diesen doofen Dauphin in der Heiligen Johanna darzustellen, aber ich unterschreibe den Vertrag. Erstens, weil ich Pola wiedersehen kann, zweitens werde ich für diese Festspiele hoch bezahlt, und drittens soll ich zur gleichen Zeit in München einen Film fürs Fernsehen drehen.

Während der Aufnahmen für den Fernsehfilm begnüge ich mich mit dem Scriptgirl, die mir in ihrer Wohnung ihre Badeanzüge vorführt.

Die Proben zur Heiligen Johanna sind so stumpfsinnig, dass ich mich davor drücke, wo ich nur irgend kann. Wenn ich nicht zur Probe gehe, meldet sich die Regieassistentin krank, und wir ficken in Grünwald, wo wir den feuchten Humus wie Wildschweine zerwühlen.

Während der Aufführung der Heiligen Johanna tue ich jeden Abend das, was mir gerade in den Sinn kommt. Das ist die einzige Möglichkeit, die tödliche Langeweile von Bernard Shaw zu überleben.

Quelle: 1991 Klaus Kinski Buch Ich brauche Liebe S. 205