Text "Strandgut" (Franz Hohler): Unterschied zwischen den Versionen
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: Eines Morgens wird an der Küste irgendeines Meeres | |||
: wahrscheinlich im Norden | |||
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: wahrscheinlich ein Koffer | |||
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: Schliesslich beginnt ein Fischer, die Schicht mit dem Messer abzuschaben | |||
: nun sieht man zwei Schlösser | |||
: alsbald geht der Dorfschmid daran, mit der Zange und dem Meissel | |||
: den Koffer zu sprengen | |||
: und die Leute recken jetzt ihre Hälse, um zu sehen | |||
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: Gleich richten alle sich wieder auf, und es steigt aus ihrer Mitte | |||
: ein Laut der Enttäuschung | |||
: nichts ist zu sehen im Innern des Koffers, ausser einem Schimmel | |||
: von schwärzlicher Farbe | |||
: und am Boden liegt ein flaches, rundes Stück von einem Stein | |||
: der trägt eine Inschrift. | |||
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: Niemand jedoch versteht die Botschaft, und keiner kennt die Sprache | |||
: in der sie verfasst ist. | |||
: Da holt man den Dorfschullehrer herbei und fragt, ob er verstehe | |||
: was darauf geschrieben | |||
: Der Lehrer nimmt den Stein in seine Hand, und bald schon nickt er | |||
: und beginnt zu lesen | |||
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: "Diesen Koffer werde ich, | |||
: Servatius Omnignosticus, | |||
: Prosektor, Arzt und Humanist zu Amsterdam, | |||
: heute, | |||
: den 2. Juli 1483, | |||
: auf hoher See versenken. | |||
: Darin gefangen und gebannt auf immer | |||
: habe ich | |||
: die allerschauerlichste Geissel dieser Welt | |||
: den Virus einer Seuche | |||
: gegen die die Pest | |||
: nicht vielmehr als ein Schnupfen ist. | |||
: Gott verhüte | |||
: dass dieser Koffer je gehoben wird." | |||
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Version vom 4. September 2006, 12:35 Uhr
Aus dem Programm Nachtübung (1973).
- Eines Morgens wird an der Küste irgendeines Meeres
- wahrscheinlich im Norden
- etwas stranden, das voll ist von Algen und dicht besät mit Muscheln
- wahrscheinlich ein Koffer
- und die Leute werden sich darum versammeln und beraten
- was damit zu tun sei.
- Schliesslich beginnt ein Fischer, die Schicht mit dem Messer abzuschaben
- nun sieht man zwei Schlösser
- alsbald geht der Dorfschmid daran, mit der Zange und dem Meissel
- den Koffer zu sprengen
- und die Leute recken jetzt ihre Hälse, um zu sehen
- was darin ist.
- Gleich richten alle sich wieder auf, und es steigt aus ihrer Mitte
- ein Laut der Enttäuschung
- nichts ist zu sehen im Innern des Koffers, ausser einem Schimmel
- von schwärzlicher Farbe
- und am Boden liegt ein flaches, rundes Stück von einem Stein
- der trägt eine Inschrift.
- Niemand jedoch versteht die Botschaft, und keiner kennt die Sprache
- in der sie verfasst ist.
- Da holt man den Dorfschullehrer herbei und fragt, ob er verstehe
- was darauf geschrieben
- Der Lehrer nimmt den Stein in seine Hand, und bald schon nickt er
- und beginnt zu lesen
- "Diesen Koffer werde ich,
- Servatius Omnignosticus,
- Prosektor, Arzt und Humanist zu Amsterdam,
- heute,
- den 2. Juli 1483,
- auf hoher See versenken.
- Darin gefangen und gebannt auf immer
- habe ich
- die allerschauerlichste Geissel dieser Welt
- den Virus einer Seuche
- gegen die die Pest
- nicht vielmehr als ein Schnupfen ist.
- Gott verhüte
- dass dieser Koffer je gehoben wird."