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Version vom 23. November 2007, 18:49 Uhr
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Die Gruppe Ideal wurde Anfang 1980 in Berlin gegründet. Annette Humpe (ex-Neonbabies) und Gitarrist Frank-Jürgen Krüger (ex-Release Music Orchestra) kamen vom eben aufgelösten New Wave-Sextett X-Pectors. Zu ihnen gesellte sich Ulrich "Ulli" Deuker, der vorher bei der Politrockband Linkerton und danach beim Jazz-Quintett Margo gespielt hatte. Komplettiert wurde die Gruppe durch "Hansi" Behrendt, der u. a. in Volker Kriegels Mild Maniac Orchestra als Percussionist und zuletzt bei den Neonbabies als Schlagzeuger beschäftigt war und dort auch Humpe und Krüger getroffen hatte. Überdies hatten Deuker und Behrendt bereits in der Deutschen Bundesband zusammengespielt.
Bereits im Februar 1980 nahm Ideal im durch Berliner Senatsgelder finanzierten "Beat-Studio" in Wilmersdorf ihre erste Single Wir stehn auf Berlin auf, eine flotte Pop-Rock-Mischung mit der B-Seite "Männer gibt's wie Sand am Meer", das mit seinen abgehackten Riffs von Annette's unterkühlter Stimme lebte und eigentlich ein Schlager aus den 1950er Jahren war. Auf eigene Kosten liessen sie die Platten pressen und versuchten sie in den Läden zu verkaufen. Heute wird sie als Rarität gehandelt. Fern vom "aufgesetzten Weltverbesserungs-Pathos" (Tip) eines Udo Lindenberg, bar jeder lärmenden Fröhlichkeit pubertärer Bands der Neuen Deutschen Welle, wollte das Quartett "moderne Tanzmusik" machen und "sauber, direkt und ironisch Geschichten erzählen". "Voller Kühle und Fatalismus" (Sounds) legten Ideal "den Knäuel von Ticks und Macken bloss, der sich hinter aufgesetzten Masken von Stil und Moden der neuen flotten Szene-Generation verbirgt: Spannung, Frustration, Selbstmordgedanken und Untergangsgefühle" (Der Spiegel).
Ihren ersten grossen Auftritte hatte die Gruppe im Mai 1980 beim Berliner Rock-Circus im "Tempodrom", wo auch ein Auftritt für Rundfunk und Fernsehen mitgeschnitten wurde. Im August spielte Ideal vor dem Deutschen Reichstag in Berlin als Vorgruppe der Softrocker von Barclay James Harvest und unterschrieben danach ihren ersten Plattenvertrag. Im November 1980 wurde die erste LP für Klaus Schulzes Label IC (Innovative Communication) veröffentlicht. Sie verkaufte sich zuletzt über 500'000 mal und erreichte Platz 3 der deutschen Hitparade. Ab März 1981 gingen Ideal auf eine grosse Tournee durch die Bundesrepublik und die Schweiz. Unter anderem spielte die Gruppe auf der Berliner Waldbühne vor 22'000 Besuchern während der SFB-Rocknacht im August 1981. "Die gefährliche Seite ist, dass ich plötzlich mit dem, was ich da innerhalb der Gruppe mache, von Hunderttausenden von Leuten ganz wichtig genommen werde", bekannte Annette Humpe.
Die musikalischen Arrangements der Band kamen von allen Gruppenmitgliedern, während Annette meist für die Texte sorgte. Die Sängerin betonte: "Ich habe keine Message." Sie hatte eher eine Vorliebe für Wortkombinationen, die ihr gefielen und Assoziationen weckten. "Deine blauen Augen machen mich so sentimental", raunte Annette, während "Eff Jott" Krüger den Chauvi raushängen liess: "Es macht mir Spass, ein Schwein zu sein." Ideal wurde immer wieder der Vorwurf gemacht, ihr Programm kühl abzuspulen, keine Gefühle zu zeigen und keine Kommunikation mit dem Publikum zustande zu bringen. Das sah jedoch Frau Humpe gar nicht so: "Also bei mir ist das so, dass ich bei der ganzen Musikmacherei nur zwei geile Momente erkennen kann: Das ist der Moment im Überaum, wenn ein Stück entsteht, weil das doch irgendwas Göttliches hat. Und der andere Moment ist, wenn du auf der Bühne bist und das Stück fliegen lässt. Und das erreicht die Leute. Und du siehst, das funktioniert." Trotzdem: Distanzierte Betrachtungen der Umwelt, kühlwitzige Parodien auf Auswüchse der Gesellschaft beherrschten oft das Bild der Ideal-Stücke. Thematisch reicht der Bogen von der Einsamkeit der Einzelnen über die Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit, der Unmöglichkeit, sich immer und zu jeder Zeit zurechtfinden zu können bis zu einer ironisch-distanzierten Betrachtungsweise der eigenen Rolle, die jeder in diesem Wirrwarr spielt.
Ideal wollte den deutschen Schlager sanieren, in eine zeitgemässe Form bringen, aber in keine Uniform zwingen. Deshalb auch der Hinweis: "Unsere Musik ist unabhängig von der Neuen Deutschen Welle entstanden. Wir machen Tanzmusik und Schlager, nicht Punk und nicht New Wave." Mit dem im Oktober 1981 veröffentlichten zweiten Album Der Ernst des Lebens, für das schon vor Erscheinen 100'000 Vorbestellungen vorlagen, konnten Ideal (längst zur WEA gewechselt) den hohen Standard des Debüts halten. Inzwischen war nicht nur das benachbarte Ausland auf die junge, dynamische Band aufmerksam geworden. Auch in England und den USA nahm die Musikkritik das Berliner Quartett wahr, in der Regel überaus positiv. So attestierte z. B. der Melody Maker: "Ideal könnten Europa's Antwort auf die B-52's werden. Schräge Orgelmelodien, sprunghafte Tanzrhythmen, Bubblegum-Chöre als Rahmenwerk für ihren stilvollen, munteren Pop, eine seltsame Mischung aus Surf-Punk, Garagen-Psychedelic und ZE-Funk", und das US-Branchenfachblatt Billboard stufte Ideal als "Deutschlands wichtigste Gruppe seit Kraftwerk" ein. Vom 21. November bis zum 21. Dezember 1981 gingen Ideal auf ihre zweite Deutschland-Tournee.
Das Phänomen Ideal zeigte sich am deutlichsten, wenn die Gruppe mit anderen Bands in einer Veranstaltung zusammen spielte ("Rockpop", ZDF, 21.10.1982): Ideal erweiterte das übliche Spektrum der Rockformationen vom Exotischen bis zum Polaren. Ein grosser Reichtum von Nuancen lebte in den Ideal-Songs, die das Umfeld des Alltäglichen meiden und geheime Träume, Sehnsüchte und Phantasien schildern, das Ambiente des Menschen im 20. Jahrhundert in surrealistischer Schärfe darstellen. Bei einer Analyse der Ideal-Texte fällt auf, dass im Grunde die Sprache dieser Songs alltäglich, ja banal ist, und dass vielfach die Sprache der "normalen" Rockmusik wirklichkeitsfremd ist und mit Bildern arbeitet, die nur scheinbar der Realität entnommen sind. Die Texte von Ideal sind auf eine faszinierende Weise konkret, zwingend und eingängig. Der Vergleich mit heute und populären Liedern der 1920er und 1930er Jahre von Igelhoff, Holländer oder Kreuder drängt sich auf. Die in ihnen enthaltenen exotischen und surrealistischen Momente ("Tante Paula liegt im Bett und isst Tomaten", "Mein Papagei frisst keine harten Eier") finden sich auch in Ideal-Songs wieder ("Sex in der Wüste", "Hundsgemein"). Die Songs stellen in exponierter Form eine Essenz kultureller Gegenwart in der populären Musik der frühen 1980er Jahre dar.
Die Leute von Ideal mussten jedoch schon bald erkennen, dass sie ihr Konzept nicht durchhalten konnten. Unzählige Bands, von den Plattenkonzernen in der Retorte hochgezüchtet, gelang es tatsächlich, mit platten Texten und ebenso schlaffer Musik kurzzeitig den deutschen Schlagermarkt heimzusuchen. Was von Ideal wohl nicht ganz so ernst gemeint war, wurde von anderen (z. B. UKW oder Hubert Kah) für bare Münze genommen und - nicht ohne Erfolg - in die Tat umgesetzt.
Mit dem dritten Album Bi nuu (1982) versuchte sich die Band nochmals positiv von den neuen Schlagerfuzzis abzusetzen. Trotz wohlwollender Kritiken kam die LP beim Publikum nicht sonderlich an. Ende November 1982 durften Ideal wie auch Trio noch eine "Goldene Europa", den Show-Preis des Saarländischen Rundfunks, in Empfang nehmen. Doch das Ende war bereits in Sicht. Nachdem Bi nuu gerade mal Platz 20 der deutschen Hitparade erklommen hatte, also weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben war, wurde eine bereits angekündigte Deutschlandtournee kurzfristig abgesagt. Am 31. März 1983 wurde ein Telex an die Medien verschickt: "Die Gruppe Ideal löst sich auf. Ideal war von Beginn an als ein Projekt geplant, eine Arbeitsgemeinschaft, die so lange bestehen sollte, wie die Unterschiede der einzelnen Mitglieder die Arbeit spannend und kreativ machte. Unsere Musik war immer ein Resultat der Auseinandersetzung von vier verschiedenen Persönlichkeiten, nicht um Kompromisse, sondern um Songs zu (er-)finden, auf die jeder stehen konnte. In drei tollen Jahren haben wir aus dieser Konstellation das Beste rausgeholt."
Für die Fans wurde einige Monate später noch das Live-Album Zugabe (1983) nachgeschoben.
Annette Humpe hatte bereits Anfang 1983 mit dem DÖF-Unternehmen ihre Solokarriere eingeläutet, Deuker tauchte praktisch völlig weg, während Krüger und Behrendt (u. a. Bamboo Industry, Chinchilla Green) als Sessionmusiker in die zweite und dritte Reihe der deutschen Popszene zurücktraten.
Besetzung
1980-1983 | Annette Humpe (vocals) | geboren 28. Oktober 1950 in Hagen |
1980-1983 | Frank-Jürgen "Eff Jott" Krüger (guitar, vocals) | geboren 24. Dezember 1948 ; gestorben 2007 |
1980-1983 | Ernst Ulrich "Ulli" Deuker (bass) | geboren 13. Juli 1954 |
1980-1983 | Hans-Joachim "Hansi" Behrendt (drums) | geboren 15. Februar 1955 |