1995.06.10 Salzburger Nachrichten "Tabu-Verletzung im Wortrausch": Unterschied zwischen den Versionen
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Für eine gute Stunde lang verwandelte sich das Salzburger ORF-Studio im Nonntal in das legendäre Zürcher "Café Voltaire", wo Hugo Ball und seine Mitstreiter zu Beginn der Zwanziger Jahre mit radikalen Dada-Happenings den Rückzug "in die innerste Alchimie des Wortes" zelebrierten. Das Schweizer Duo Stiller Has", welches auf Vorschlag von Osy Zimmermann den "Salzburger Stier" erhielt, will nicht als Kabarett-Gruppe bezeichnet werden. | Für eine gute Stunde lang verwandelte sich das Salzburger ORF-Studio im Nonntal in das legendäre Zürcher "Café Voltaire", wo Hugo Ball und seine Mitstreiter zu Beginn der Zwanziger Jahre mit radikalen Dada-Happenings den Rückzug "in die innerste Alchimie des Wortes" zelebrierten. Das Schweizer Duo Stiller Has", welches auf Vorschlag von Osy Zimmermann den "Salzburger Stier" erhielt, will nicht als Kabarett-Gruppe bezeichnet werden. | ||
Aktuelle Version vom 2. September 2007, 12:48 Uhr
Autor | Günter Verd[...] |
Veröffentlichung | 1995.06.10 Salzburger Nachrichten |
Tabu-Verletzung im Wortrausch
Das Schweizer Musik-Duo Stiller Has brillierte beim Salzburger Stier
Für eine gute Stunde lang verwandelte sich das Salzburger ORF-Studio im Nonntal in das legendäre Zürcher "Café Voltaire", wo Hugo Ball und seine Mitstreiter zu Beginn der Zwanziger Jahre mit radikalen Dada-Happenings den Rückzug "in die innerste Alchimie des Wortes" zelebrierten. Das Schweizer Duo Stiller Has", welches auf Vorschlag von Osy Zimmermann den "Salzburger Stier" erhielt, will nicht als Kabarett-Gruppe bezeichnet werden.
Der Verdacht liegt nahe, dass die beiden Herren, der in Kärnten aufgewachsene, politisch in der 60er-Protestbewegung in Wien gereifte und nun in Bern lebende Sänger und Selbstdarsteller Endo Anaconda und sein "akustisches Bühnenbild", der Multi-Instrumentalist Balts Nill, in gar keine Schublade passen wollen. Doch die Nähe zu Dadaismus und Epressionismus ist unüberhörbar; Endo Anaconda singt auch ein Lied des Berliner Dichters Alfred Lichtenstein.
Dazu kommt noch die an Jandl geübte Lust am Klang- und Lautgedicht, und die vermutlich von Werner Pirchner inspirierte Fähigkeit, sprachliche und musikalische Strukturelemente zu unerhört neuem künstlerischen Ausdruck zu verschmelzen. Dass die "Lieder" oder vielleicht besser: Klangminiaturen der beiden "stillen Hasen" dennoch nie epigonal wirken, liegt nicht nur an der elementaren Vortragskunst von Anaconda, welcher sich, oft frei improvisierend, in einen sinnenthobenen Wortrausch hineinsteigern kann und an der Stimmungsmalerei von Berner und Wiener Dialekt (der Sänger beherrscht beides), so auch an der musikalischen Umsetzung durch Balts Nill, der mit Swingbesen, Gitarre und Ukulele sich aller möglichen Jazz- und Popmusik-Stile, zitierend, bedient und ganz neue Klangwelten erschliesst.
Die Kunst des seit 1989 zusammensteckenden Duos Stiller Has scheint nicht mehrheitsfähig zu sein - nicht wenige Besucher verliessen vorzeitig das ORF-Studio, noch bevor es ihnen beim "Gruusig"-Rap, der äussersten Tabu-Verletzung durch Ansammlung aller denkbaren Unappetitlichkeiten, und deswegen bei den Schweizer Kids ein Hit, wirklich schlecht werden hätte können.