Text "Confederation Crash für die Unterstufe" (Linus Reichlin)

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Thema Nr. 1: Endlich tritt die Schweiz einmal als Trendsetterin auf! Ich rede vom sogenannten "Pasting". "Pasting" ist mit dem Bungee-jumping verwandt, nur dass man sich nicht in den Abgrund, sondern in die Vergangenheit stürzt. Nachdem wir uns vergangenes Jahr hauptsächlich in der Zeit von 1939 bis 1945 aufgehalten haben, reist die Nation nun noch ein Stück weiter zurück und beschäftigt sich intensiv mit 1848. "Pasting" macht Spass und kann im Prinzip bis zur jüngsten Eiszeit weitergeführt werden. Das sollte aber schrittweise geschehen, denn der Schweizer ist Neuem gegenüber nie besonders aufgeschlossen und muss mit einer ihm noch fremden neuen vergangenen Epoche peu à peu vertraut gemacht werden. 2001 werden wir uns also zunächst einmal im Jahr 1291 versammeln, dort in Bierzelten ein wenig verweilen und uns innerlich auf den Sprung ins Jahr 8400 v. Chr. vorbereiten. Um diese Zeit herum wurde die Schweiz erstmals besiedelt. Dort gibt es also viel zu erleben und zu bestaunen. Wir werden es uns in den Pfahlbauten bequem machen und gelassen der Zukunft entgegensehen.

Thema Nr. 2: Mein Beitrag zum "Pasting" 1848: Confederation Crash, ein Computerspiel für 1 bis 4 Spieler. Ich habe es im Auftrag der Zürcher Erziehungsdirektion entwickelt, welche sich zum Jubiläumsjahr etwas "Poppiges für die Jugend" wünschte. Das Spiel richtet sich aber generell an alle, die in der Mehrsprachigkeit unseres Landes keine Chance, sondern eine Zumutung sehen, und sich immer wieder darüber ärgern, dass man in der ohnehin schon schmalen Schweiz keine 200 Kilometer weit reisen kann, ohne irgendein fremdes Idiom gaggsen zu müssen, schlimmstenfalls Französisch (eine Sprache für Leute, die sich die Füsse parfümieren). Die Spieler wählen zuerst eine Sprachregion und die entsprechenden Bundesräte. "Deutsch" setzt Leuenberger/Ogi ein, "Französisch" Delamuraz/Dreifuss; "Italienisch" und "Romanisch" haben je nur einen Bundesrat, der aber über einen Massiv-Attack-Bonus und doppelte Lebenspunkte verfügt. In Confederation Crash kann jeder Bundesrat per Mausklick in drei verschiedene Stadien versetzt werden, "Diplomat", "Persischer Elefantenschütze" und "F/A-18"; Cotti kann zusätzlich als "Heiliger Krieg" eingesetzt werden. Wenn nun "Deutsch" zum Beispiel Lausanne bombardieren muss, um in die Region Genf vordringen zu können, klickt der Spieler auf Ogi, wählt die Option "F/A-18" und plaziert Ogi über dem Lausanner Hauptbahnhof. Sieger ist, wer alle anderen Sprachen eliminiert und den Erzbischofssitz in Vaduz zerstört hat.

Thema Nr. 3: Brief der Erziehungsdirektion ­ sie sind mit meinem Spiel gar nicht glücklich. Besonders wird bemängelt, dass Cotti, Option "Heiliger Krieg", gegen "Deutsch" selbst dann gewinnt, wenn Leuenberger und Ogi als Geschwader eingesetzt werden. Das vermittle der Unterstufe ein völlig falsches Bild der tatsächlichen Kräfteverhältnisse. Ausserdem stecke in dem Spiel ein Fehler: Wenn man für Delamuraz "Diplomat" wähle, wechsle der Computer von sich aus zu "Persischer Elefantenschütze". Ich werde daran arbeiten, einverstanden?



Aus: 1998.01.08 Die Weltwoche Nr. 2 - Kolumne "Moskito"