Klaus Kinski - Biographie 1970-1979

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1970

Auf einer seiner Partys an der Via Appia lernt Klaus Kinski die 20jährige Sprachstudentin Geneviève Minhoï kennen.

Klaus Kinski kauft sich einen neuen Rolls Royce "Phantom" für 248'000 DM.

Western. Einer nach dem anderen. Sie werden immer jämmerlicher, die sogenannten Regisseure immer unfähiger. Und je unfähiger sie sind, um so aufsässiger werden sie. Einer heisst Mario Costa [La belva]. Als ich mich weigere, seine Regieanweisungen zu befolgen, droht er mir: "Ich werde dafür sorgen, dass du aus Italien ausgewiesen wirst."

"Weswegen? Ich habe nichts verbrochen und habe ein Recht, hier zu sein", antworte ich.

"Jedenfalls wirst du nie wieder einen Film drehen."

"Das hättest du nicht sagen sollen, du armer Irrer. Niemand - ausser Gott und mir - und schon gar nicht so eine Laus wie du, wird entscheiden, wann ich aufhöre Filme zu drehen. Aber du wirst dann bereits tot sein!"

Quelle: 1991 Klaus Kinski Buch Ich brauche Liebe S. 280

2. Mai 1971: Klaus Kinski verheiratet sich an einem Sonntag in Rom in dritter Ehe mit der Vietnamesin Geneviève Minhoi. Mit ihr tobt er einen Tag lang durch Rom, verwüstet Blumenbeete, zertrümmert in Lokalen teures Geschirr und prügelt sich schliesslich mit Polizisten, die ihn zur Ordnung rufen wollen.

Wir unterschreiben den Fetzen und rasen mit den beiden Mädchen, die unsere Trauzeugen sind, in unserem Ferrari zu "George", dem teuersten Restaurant Roms. Nach dem Essen schlage ich Geschirr und Gläser kaputt, und bezahle den Plunder, das war es mir wert. Mir ist, als habe ich die Vergangenheit zertrümmert.

Mario Costa ist tot. Wie ich es ihm prophezeiht hatte, weil er sein verdammtes Maul nicht halten konnte. Den Maserati und den Wohnwagen verschleudern wir. Wir kaufen einen Land-Rover, laden unsere Seesäcke auf und verlassen Rom, bevor der Tag anbricht.

Zuerst fahren wir nach München, wo Werner Herzog auf mich wartet, der mir einen Film in Peru angeboten hat: Aguirre, der Zorn Gottes.

Biggi überlässt uns ihre Wohnung, weil sie für ein Jahr nach Venezuela übersiedelt, wo Nastassja zur Schule geht.

Auf der Strasse in München treffe ich Helmut von Gaza. Er kommt gerade aus dem italienischen Gefängnis, wo er wegen Verführung minderjähriger Knaben eingesperrt war.

Quelle: 1991 Klaus Kinski Buch Ich brauche Liebe S. 282

Die beiden wohnen jetzt in Flaminia in der Nähe von Rom. Klaus Kinski will bis jetzt über 127 Filme gedreht haben... Dem Einfluss Minhoïs soll es zuzuschreiben sein, dass Klaus zumindest zeitweise sein hemmungsloses Luxusleben aufgibt.

Klaus Kinski 1971

30. August 1971: Der Spiegel meldet, Klaus Kinski plane, auf hundert Veranstaltungen in aller Welt die Lebensgeschichte des Heilands zu rezitieren - aber nur "in den grössten Hallen".

16. November 1971: Klaus Kinski und seine Frau fliegen von München nach Berlin.

20. November 1971: Premiere von Klaus Kinskis neuem Soloabend Text "Jesus Christus Erlöser" (Klaus Kinski) mit von ihm selber bearbeiteten Texten aus dem Neuen Testament in der Berliner Deutschlandhalle vor 3'000 Zuschauern. Der Auftritt wird für eine Wochenschau gefilmt. Klaus Kinski verliest eine Art Steckbrief: "Gesucht wird Jesus Christus...".

Da pöbelt jemand aus dem Zuschauerraum. Ich kann den Kerl nicht sehen. Ich bin von starken Scheinwerfern geblendet, die alle auf mich gerichtet sind. Der zwanzigtausend Menschen fassende Zuschauerraum der Deutschlandhalle in Berlin ist eine pechschwarze Wand.

Warum unterbricht mich dieser Idiot? Ich bin furchtbar aufgepeitscht. Ich habe die letzten Nächte keinen Schlaf bekommen und bin seit über siebzig Stunden auf den Beinen. Endlose TV- und Radiointerviews, Zeitungen. Ausserdem habe ich nichts gegessen und seit gestern früh mindestens achtzig Zigaretten geraucht. Und jetzt stehe ich auf diesem hohen Gerüst, als stünde ich auf einem Schafott.

"Komm her, wenn du was zu sagen hast", rufe ich in die Finsternis, "sonst bleib auf deinem Hintern sitzen und halt den Mund!"

Was will er? Will er sich wichtig tun? Hier ist nichts wichtig, als das, was ich vorzutragen habe. Ich bin gekommen, die erregendste Geschichte der Menschheit zu erzählen: Das Leben von Jesus Christus.

Ich spreche nicht von diesem Jesus auf den grässlich bunten Drucken. Nicht von dem Jesus mit der gelben leberkranken Haut - den eine irrsinnige menschliche Gesellschaft zur grössten Hure aller Zeiten macht. Dessen Kadaver sie pervers mit sich herumschleppt an infamen Kreuzen. Ich spreche nicht von göttlichem Geschwätz und von geplärrten Kirchenliedern. Nicht von dem Jesus, der mit modrigem Kuss die kleinen Mädchen vor der ersten Kommunion aus geilen Träumen schreckt und sie dann sterben lässt vor Ekel und vor Scham, wenn sie auf den Latrinen schäumen.

Ich spreche von dem Mann: dem ruhelosen, der sagt, dass wir uns ändern müssen, immerzu, jetzt! Ich spreche von dem Abenteurer, dem furchtlosesten, freiesten, modernsten aller Menschen, der sich lieber massakrieren lässt, als lebendig mit den anderen zu verfaulen. Ich spreche von dem Mann, der so ist, wie wir alle sein wollen. Du und ich.

Der Scheisskerl, der mich unterbrochen hatte, ist inzwischen auf dem Gerüst angekommen. Ich überlasse ihm das Mikrofon, weil ich mir nicht vorstellen kann, was er will.

"... Christus war ein Heiliger", heult dieser Hund, "er hat sich nie mit Huren und Kriminellen abgegeben... er war nicht so gewalttätig wie Kinski..."

[...] Ich reisse dem Schwachkopf das Mikrofon aus der Hand; weil er es mir nicht zurückgeben will. Den Rest besorgen die Rausschmeisser der Deutschlandhalle. Als er sich auch mit ihnen anlegt, werfen sie ihn einfach die Treppen runter. Andere Krakeeler, die nur gekommen sind, um Stunk zu machen, mischen sich ein. Als die ersten Fausthiebe hageln, schwärmt ein riesiges Polizeiaufgebot in der ganzen Deutschlandhalle aus, um einer Saalschlacht vorzubeugen. Die Polizisten sind alles Brocken, Schlagschutz vor den Gesichtern und Knüppel in den Fäusten.

Na ja, denke ich, das ist ja wieder wie vor 2000 Jahren.

Quelle: 1991 Klaus Kinski Buch Ich brauche Liebe S. 9-11

Nach zehn Minuten eilt Klaus Kinski von der Bühne, nachdem er sein Publikum mit den in der Heiligen Schrift nicht überlieferten Worten "Dumme Säue" und "Scheissgesindel" bedacht hat.

Ich schleudere das Mikrofon mitsamt dem Stativ, das an einem langen Kabel befestigt ist, das von der Decke hängt, vom Gerüst. Dann gehe ich hinter die Bühne und warte, was da geschehen wird - während das Mikrostativ hoch über den Köpfen der Zuschauer wie ein leeres Trapez hin- und hersaust.

Überall Blitzlichter der Fotografen. Surrende Filmkameras. Reporter, die schwachsinnige Fragen stellen. Das ganze fängt an mich anzuwidern. Ich schreie die Aasgeier an, die mich unentwegt umkreisen - ich werde sie nicht los - sie schleichen mir sogar hinterher wenn ich pinkeln gehe.

Zuschauer kommen hinter die Bühne gestürzt und umarmen und küssen mich. Menschen, denen ich in tausenden von Vorstellungen mein aus dem Leibe gerissenes Herz hingehalten habe. Minhoï hängt an meinem Hals und weint. Sie hat Angst um mich, sie hat noch nie eine Veranstaltung von mir erlebt. Die Leute beschwören mich, auf das Gerüst zurückzugehen. Ja! Ich werde weitermachen. Aber erst wenn diese Rowdies aufhören, sich die Fressen aeinzuschlagen und, vor allem, das Maul halten! Dieses Gesindel ist noch beschissener als die Pharisäer. Die haben Jesus wenigstens ausreden lassen, bevor sie ihn angenagelt haben.

Die Zeit verstreicht. Die Zuschauer sind noch alle da, keiner will nachhause gehen. Alle warten, dass ich wiederkomme.

Mitternacht. Langsam tritt Ruhe ein. Keiner hustet. Niemand räuspert sich. Jetzt ist vollkommene Stille.

Viele sind von ihren hinteren Sitzen aufgestanden und haben sich auf dem freien Raum vor dem Gerüst zusammengedrängt. Auf den Fussboden gelagert. Woodstock.

Ich springe von dem Gerüst herunter und mische mich unter sie. Meine Erschöpfung ist wie weggeweht. Ich fühle meinen Körper nicht mehr. Ich sehe sie ganz deutlich vor mir, ihre Gesichter, die feinste Reaktion in jedem einzelnen Gesicht. Tausende von Augenpaaren, die mich ansehen. Vor Leidenschaft brennende, sehnsüchtige Augen. Ich gehe von einem zum anderen. Bleibe vor ihnen stehen. Setze mich zu ihnen. Umarme sie. Mädchen und Jungen, Frauen und Männer jeden Alters, von Minderjährigen bis zu Greisen - aber, und das ist das Wunder: Alle sind jung!

Um zwei Uhr früh ist alles zu Ende. Minhoï und ich gehen nicht direkt ins Hotel zurück, wir sind zu aufgewühlt. Bis zum Abflug der Maschine ist noch viel Zeit, und wir haben nichts zu packen.

Wir gehen durch den eisigen Morgen, ohne ein Wort zu reden. Minhoï hat mich verstanden, obwohl ich während der Veranstaltung nur deutsch gesprochen habe.

Meinen Vertrag für alle fünf Kontinente zerreisse ich. Er war eine Million Mark wert. Er interessiert mich nicht mehr. Nicht, weil ich reich bin. Wir besitzen nichts. Nicht, weil ich mich fürchte, den buddha vom Thron zu stossen. Das habe ich längst getan. Ich pfeife darauf, dass die Kirchen angedroht haben meine Veranstaltungen zu boykottieren. Es langweilt mich, dass die Manager der grössten Sportpaläste sich weigern, mich auftreten zu lassen, weil sie Angst um ihr Mobiliar haben. Und dass der erbärmliche Kaplan, der das Buch Jesus in schlechter Gesellschaft geschrieben hat, lieber nicht öffentlich mit mir gesehen werden will.

"Die Menschen sind noch wie vor tausend Jahren -
zerbeult von Lastern.
Wenn sie in die Grube fahren sind
sie im Frass der Würmer erst zuhaus."
Quelle: 1991 Klaus Kinski Buch Ich brauche Liebe S. 11-12

Von 100 Auftritten in aller Welt ist danach keine Rede mehr.

1972

Januar - Februar 1972: Dreharbeiten zu Werner Herzogs Film Aguirre, der Zorn Gottes im Urubambatal, sowie an den Flüssen Hualaga und Nanay (Peru). Klaus Kinski spielt Don Lope de Aguirre, den wahnsinnigen Conquistador, der auf einem Floss voller Affen mit seiner Tochter eine reine Dynastie gründen will, die das Goldland Eldorado beherrschen soll.

Als ich in voller Ausrüstung in ein Sumpfloch stürze und versuche, meinen Körper aus dem Schlamm zu befreien, in den ich immer tiefer einsinke, schreie ich in blinder Raserei: "Ich haue ab! Und wenn ich bis zum Atlantischen Ozean paddeln muss!!"

"Wenn du abhaust, lasse ich dich über die Klinge springen", sagt dieser Schlappschwanz von Herzog, wobei er ganz erschrocken aussieht wegen dem Risiko, auf das er sich einlässt.

"Was für eine Klinge, du Grossmaul?" frage ich, in der Hoffnung, dass er mich angreift und ich ihn in Notwehr erschlage.

"Ich werde auf dich schiessen", faselt er wie ein Paralytiker, der bereits Gehirnerweichung hat. "Acht Kugeln sind für dich, und die neunte Kugel ist für mich selbst."

Wer hat je von einem Gewehr oder einer Pistole mit neun Patronen gehört? Das gibt es überhaupt nicht! Ausserdem hat er keine Waffe. Ich weiss es. Er hat weder ein Gewehr noch eine Pistole, nicht einmal ein Buschmesser. Nicht einmal ein Taschenmesser. Nicht einmal einen Flaschenöffner. Ich bin der einzige, der ein Gewehr besitzt. Eine Winchester. Ich habe eine Sondergenehmigung von der peruanischen Regierung. Um Patronen zu kaufen, musste ich mir tagelang die Hacken ablaufen, von einer Polizeistation zu anderen, für Unterschriften, Stempel, all diesen Scheiss.

"Ich warte auf dich, du Ungeziefer", sage ich und bin richtig froh, dass es endlich so weit gekommen ist. "Ich gehe jetzt auf mein Floss zurück und warte auf dich. Wenn du kommst, werde ich dich abknallen."

Dann bahne ich mir einen Weg zu unserem Floss, wo Minhoï in einer Hängematte eingeschlafen ist, lade meine Winchester und warte.

Um ca. 4 Uhr morgens kommt Herzog zu unserem Floss gepaddelt und bittet um Verzeihung.

Quelle: 1991 Klaus Kinski Buch Ich brauche Liebe S. 292-293

Nach 10 Wochen wird die letzte Szene des Films gedreht, in der Aguirre als einziger Überlebender, dem Wahnsinn verfallen, auf dem Floss mit ein paar hundert Affen stromabwärts dem Atlantischen Ozean zutreibt. Die meisten von den Affen, die aufs Floss geschafft wurden, springen ins Wasser und schwimmen in den Dschungel zurück. Sie sollten von einer Bande von Tierfängern an amerikanische Laboratorien für Tierversuche verkauft werden. Herzog hat sie sich ausgeliehen. Als nur noch zirka 100 Affen übrig sind, die nur darauf warten, ins Wasser zu springen und ihre Freiheit wiederzuerlangen, verlange ich von Herzog, dass er sofort dreht. Ich weiss, dass diese Gelegenheit sich nie wiederholen wird. Als die Aufnahme zu Ende ist, werfen sich die letzten Affen in den Strom und schwimmen auf den Dschungel zu, der sie aufnimmt.

Quelle: 1991 Klaus Kinski Buch Ich brauche Liebe S. 296
Klaus Kinski 1972 im Hafen von Hong Kong

Klaus Kinski reist mit seiner Frau Minhoï nach Hong Kong undlässt sich im Hafen auf einer chinesischen Dschunke fotografieren.

29. Dezember 1972: Premiere der englischen Originalfassung des Films Aguirre, the Wrath of God (dt. Originaltitel: Aguirre, der Zorn Gottes) in Köln. Vorher war er kaum noch in deutschen Filmen beschäftigt worden.

1973

16. Januar 1973: Die deutsche Synchronfassung des Films Aguirre, der Zorn Gottes läuft mit einer Premiere in Köln in den deutschen Kinos an.

1974

Wichtig ist, zu lieben [L'important c'est d'aimer] hat zur gleichen Zeit Premiere in Paris. Auch hierüber blabbern Zeitungen und TVs einen von Beschränktheit und Ahnungslosigkeit strotzenden Müll zusammen, über die angebliche Zusammenarbeit von mir und Zulawski. Die Wahrheit ist, dass ich diesen dilettantischen, selbstgefälligen und arroganten Zulawski nur ertragen habe (ohne ihm in die Fresse zu hauen), weil die Made vom Filmverleih in München verhindern wollte, dass ich diesen verfaulten, deprimierenden Bockmist drehe.

Die völlig sinnlosen, erschöpfenden Interviews, die bis zu zehn Stunden dauern oder sogar über Tage gehen, sind um so grotesker, weil die meisten dieser Interviewer (oder wie soll man sowas nennen) absolut nichts kapieren und alles verdrehen und verunstalten, so dass alles, was ich gesagt habe, keinen Sinn mehr ergibt.

Quelle: 1989 Klaus Kinski Buch Ich brauche Liebe S. 319

1975

Klaus Kinski 1975

August 1975: Klaus Kinskis Buch Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund erscheint mit teils verschleierten, teils dramatisch überhöhten Biographica. Das Buch gilt als eine der bösartigsten Attacken auf das Filmgeschäft überhaupt und ist aus rechtlichen Gründen heute nicht mehr erhältlich.

18. Oktober 1975: Klaus Kinskis Brüder Achim und Hans-Joachim Nakszynski wenden sich in der Zeitung Die Welt mit einer Gegendarstellung wegen "gemeiner Verleumdung und verlogener Selbstdarstellung" gegen einige Passagen seines Buches.

16. Dezember 1975: Premiere des Films Un genio, due compari, un pollo. Klaus Kinski spielt in diesem Film mit Terence Hill den gesetzlosen Doc Foster.

25. Dezember 1975: Premiere des Films das Netz in München. Klaus Kinski spielt darin den alternden Frauenmörder Emilio Bossi.

1976

27. April, 11. und 12. Mai 1976: Klaus Kinski gibt Claire Clouzot ein Interview das unter dem Titel "Si je n'avais pas été acteur, j'aurais pu être un assassin..." erscheint.

Von Woche zu Woche ändern sich unsere Pläne, denn von Woche zu Woche sind es andere Filme, die mir angeboten werden. Jede Woche ist es ein anderer Ort in einem anderen Winkel der Erde, wo wir denken, dass Nanhoï zur Welt kommen wird. Ich bin unschlüssig, welchen Film ich annehmen soll, vielleicht bringt das nächste Angebot mehr Geld.

Ich entscheide mich für den Schweizer Film Jack the Ripper in Zürich. Ich drehe den Scheiss in acht Tagen herunter. Den Rest der Zeit spiele ich Tennis, auch im strömenden Regen, bis mir Hände und Füsse bluten und ich vor Blasen nicht mehr gehen noch stehen kann.

Quelle: 1991 Klaus Kinski Buch Ich brauche Liebe S. 321-322
Klaus Kinski und sein Sohn Nanhoï

1. August 1976: Geburt von Klaus Kinskis Sohn Nanhoï.

4 Uhr früh. Die Geburt beginnt. Minhoï liegt auf dem Rücken - die Beine weit geöffnet, die Kniekehlen links und rechts über Metall-Bügel gelegt, an deren Stangen sie sich festhält - den Unterleib etwas nach oben vorgeschoben. Ihr ganzer Leib scheint sich aufzutun - alles an ihr ist Geburt. Ich werde die Fotos in atemloser Eile machen müssen, um keine Phase des Gebärens zu versäumen.
Quelle: 1991 Klaus Kinski Buch Ich brauche Liebe S. 323

Es ist wie ein Hohn, dass ich, und hier in Paris, den Film Madame Claude drehen muss. Auch die Gage ist erbarmungswürdig. Dazu will der Produzent mich noch reinlegen mit Wechseln. Aber wir brauchen Geld. Die Mädchen, die im Film Madame Claudes Huren sind, ficken wie Professionelle. Vor allem die ganz jungen, aber auch die, die verheiratet sind und die ich nur ficken kann, wenn ihre Ehemänner für kurze Zeit nicht in Paris sind. Eine ganz junge Statistin hat ein winziges, fast nacktes Fötzchen wie einen Mund, ganz winzig kleine Arschbäckchen und winzig kleine Brüstchen. Ich muss immer erst mit ihrer geilen Mutter telefonieren, bevor ich ihre Tochter ficken darf.

Quelle: 1991 Klaus Kinski Buch Ich brauche Liebe S. 334

Entebbe [Mivtza Yonatan]. Menahem Golan ruft mich aus Israel an und redet auf mich ein, den Film mit ihm zu drehen. Die Gage ist eine solche Frechheit, dass er eins aufs Maul verdient, dazu kommt, dass ich überhaupt nicht weiss, wovon er redet. Alle, denen ich erzähle, dass ich Entebbe drehen werde, wissen sofort Bescheid, worum es geht. Ich bin der einzige, der keine Ahnung hat, weil ich keine Zeitungen lese, kein Radio höre und auch im Fernsehen nie die Nachrichten einschalte, beziehungsweise abschalte, sobald die Nachrichten beginnen. Aber als ich mir die Geschichte erzählen lasse, bin ich so begeistert, dass ich es für die unverschämte Gage tue, die Golan mir bietet.

Vorher muss ich noch Madame Claude weiterdrehen.

Quelle: 1991 Klaus Kinski Buch Ich brauche Liebe S. 336-337

Irgendwelche Stümper aus Deutschland bieten mir laufend ihre rachitischen Filme oder Theater an. Ich schicke sie zum Teufel.

Noch zwei französische Filme, Zoo Zero und Der Tod eines verfaulten Mannes [Mort d'un pourri]. Dann ruft mich Herzog morgens um 1 Uhr in der Avenue Foch an und fragt mich, ob ich Nosferatu und Woyzeck verkörpern will. Ich beschimpfe ihn, dass er mich morgens um 1 Uhr anruft, aber ich sage zu. Ich habe ganz vergessen, wer Herzog ist, und ich kann mich noch immer nicht erinnern. Ich habe auch vergessen, dass ich vor zehn Jahren abgelehnt habe, Woyzeck im Theater zu verkörpern, weil es Selbstmord ist, und dass ich das Textbuch in den Abfalleimer geworfen hatte. Ich weiss nicht, warum ich diesmal "Ja" gesagt habe. Alles ist sicherlich Bestimmung.

Quelle: 1991 Klaus Kinski Buch Ich brauche Liebe S. 376

1977

30. Mai - Ende Juli 1977: Dreharbeiten zum französischen Film Mort d'un pourri (1977) des Regisseurs Georges Lautner.

Hass [Haine]. Die Geschichte eines Motorradfahrers, der nichts verbrochen hat und von den Einwohnern einer kleinen Ortschaft mit Ketten an einen Transformator gefesselt und mit Starkstrom hingerichtet wird. Der "Regisseur" Dominique Goult, verbringt die meiste Zeit in Kneipen. Seine Frau hat einen strammen Arsch in einem engen Rock. Das wäre Grund genug für mich, den Film zu drehen. Vorher muss Dominique noch schnell einen Porno produzieren, um das Geld für meine Gage zu verdienen. Maria Schneider ist eines der Mädchen, die ich ficken soll. Sie ist eine richtige Fixerin geworden und kotzt mich an. Sie kann sich bei Dominique Goult bedanken, dass ich sie nicht geohrfeigt habe.
Quelle: 1991 Klaus Kinski Buch Ich brauche Liebe S. 378

1978

1. Mai - 6. Juli 1978: Dreharbeiten zum Film Nosferatu (Fantôme de la nuit) (1979) auf Schloss Pernstein, im Tatra-Gebirge, in Nedvedice, in Telc (Tschechoslowakei), in Guanajuato (Mexiko) sowie in Delft, Schiedam, Oostvorne und an der Nordseeküste (Niederlande).

Da Werner Herzog den Film nicht in Bremen drehen kann, wo Murmau's Nosferatu (1922) gedreht wurde, versucht er in Delft (Niederlande) zu drehen. Noch immer verbittert über die deutsche Besetzung während des Zweiten Weltkriegs reagiert die Bevölkerung wenig enthusiastisch auf das Eintreffen der Filmcrew. Als Herzog seinen Plan ankündigt, für die Szene in der Nosferatu ankommt 11'000 Ratten in den Strassen von freizulassen (eigentlich wollte er graue Ratten aber konnte nur weisse erhalten, die seine Leute dann grau bemalten), lehnt der Bürgermeister von Delft seinen Plan kategorisch ab und erklärt dem anscheinend verrückten Deutschen, dass seine Stadt eben Monate damit verbracht hat, die Abwasserkanäle von den eingeborenen Ratten zu säubern und keine Absicht habe nun das Territorium neu mit ungarischen Laborratten zu besetzen. So in Verlegenheit gebracht brachte Herzog seine Ratten in die gastlichere Stadt Schiedam, wo ihm das Filmen gestattet wurde, wenn auch in etwas bescheidenerem Rahmen.

Klaus Kinski in Woyzeck (1979)

13. Juli - 3. August 1978: Dreharbeiten zum Film Woyzeck in Telc (Tschechoslowakei).

Klaus Kinski reist nach Nordfrankreich, wo seine Tochter Nastassja mit dem Regisseur Roman Polanski Thomas Hardys Tess Of The D'Urbervilles (1891) verfilmt. Ein Landgeistlicher im England des 19. Jahrhunderts erzählt darin dem einfachen Bauern Derbyfield, dass er von der vermutlich ausgestorbenen d'Urberville-Familie abstammt. Um die Sache zu klären, schickt Derbyfield seine schöne Tochter Tess (gespielt von Nastassja Kinski) zu Alec D'Urberville, der entzückt ist, seine "Cousine" kennenzulernen - in Wirklichkeit hat er seinen Namen und das Wappen bloss gekauft. Er verführt Tess mit Hilfe von Erdbeeren und Rosen, bis sich Tess schliesslich wieder ihrer wahren Liebe zuwendet. Der Film wurde 1981 für sechs Oscars nominiert und erhielt drei.

Nastassja filmt mit [Roman] Polanski in Nordfrankreich Tess [1979]. Ich fahre zu ihr, und wir bleiben fast eine Woche zusammen. Polanski zeigt mir die ersten Muster. Nastassja ist überwältigend. Aber so sehr ich mich nach Nastassja sehne, ich kann mich nicht freuen, solange ich nicht weiss, wo Minhoï und Nanhoï sind und wie es ihnen geht. Meine Sorge um sie und meine Sehnsucht nach ihnen sind wie ein Dorn, der durch mein Herz wächst. Tag und Nacht in jedem Augenblick. So kann ich nachts auch mit Nastassja nicht einschlafen und keine Ruhe finden. Ich fahre nach Paris zurück, wo ich darauf warte, dass Minhoï aus Mexico anruft.

Ich kann nicht sagen, wieviel Wochen es her ist, seit Minhoï mit Nanhoï nach Mexico geflogen ist - ich kann überhaupt nicht mehr in der Zeitrechnung der Menschen denken - für mich ist jeder Augenblick ohne Nanhoï eine unerträgliche Ewigkeit.

Und als mitten in der Nacht das Telefon läutet und Minhoï aus Mexico anruft und sagt, dass ich kommen soll, denke ich an nichts, als zu ihr und Nahoï zu fliegen, gleich Morgen, mit dem ersten Flugzeug, das nach Mexico City geht.

Quelle: 1991 Klaus Kinski Buch Ich brauche Liebe S. 381-382

Menahem Golan, den wir ja schon aus Israel von Entebbe [Mivtza Yonatan] kennen, setzt sich zu mir an den Tisch und fragt mich, ob ich seinen ersten Film in Hollywood drehen will. Ich frage ihn, ob er ein Scheckheft dabei hat. Er zeigt mir sein Scheckheft, das er sich unter sein Hemd geklemmt hat, denn es ist heiss und er hat keine Jacke an. Das heisst, er zieht es in Höhe seines fetten Bauches halb hervor. Wie der Marokkaner, denke ich, der mich damals [1946] bei hellem Tageslicht in einem öffentlichen Park in den Arsch ficken wollte und dabei abwechselnd auf das Päckchen Zigaretten in seiner Hand, seinen Hosenschlitz und auf ein Gebüsch gezeigt hatte. Anstelle des Päckchens Zigaretten reisst Menahem ein Stück Papier von einer Tageszeitung und kritzelt mit dem Kugelschreiber auf die unbedruckten Ränder Summe, Datum und Filmtitel, wobei er das Scheckbuch in Höhe seines fetten Bauches unter seinem durchgeschwitzten Hemd wieder halb hervorzieht und abwechselnd auf den fetzen Zeitungspapier und das halb hervorgezogene Scheckbuch zeigt.

"Kannst du nicht bis morgen warten?" frage ich ihn. "Dann können wir die wichtigsten Vertragspunkte mit der Maschine tippen."

"Morgen bekommst du den Preis von Cannes", sagt er, "und dann kostest du das Doppelte."

"Morgen koste ich sowieso das Doppelte, auch ohne diesen blöden Preis," sage ich, "du hast überhaupt nichts kapiert!"

So sind sie alle, diese Viehhändler. Als ob man jemand anders wäre, nur weil man "ausgepreist" wird!

Ich verschiebe die Kuppelei auf morgen früh, damit er mich nicht hereinlegen kann. Und doch reizt es mich, den Scheck auf die Hälfte der Gage, oder zumindest auf ein Drittel, gleich jetzt zu bekommen, gleich hier am Tisch, ohne etwas dafür getan zu haben. Einen Batzen Geld gleich auf die Hand, nachdem ich einen Fetzen Zeitungspapier unterschrieben habe für einen Film, der in sechs Monaten beginnen soll und der vielleicht nie gedreht wird.

Der Strassenjunge in mir sagt: "Greif nach dem Geld, egal von wem. Denk nicht daran, was und wann du etwas dafür tun musst!"

Quelle: 1991 Klaus Kinski Buch Ich brauche Liebe S. 391-392

1979

22. Mai 1979: Weltpremiere des Films Woyzeck am Filmfestival von Cannes, wo Eva Mattes (die Woyzeck's Geliebte Marie spielte) als beste Nebendarstellerin für einen Preis nominiert wird.

Kind-Frau. [La femme enfant]. Ein Film mit einer Frau als Regisseur. Die Geschichte eines taubstummen Gärtners, der ein zwölfjähriges Mädchen liebt. Als das Mädchen von ihren Eltern weit weggeschickt wird, um die beiden zu trennen, schneidet der Gärtner sich mit einem Rasiermesser die Kehle durch.

Das erste, woran ich denke ist, diesen "Regisseur" zu ficken. Das wäre mal was anderes!

Leider ist sie völlig zugekniffen, obwohl sie stark nach Fisch riecht. Ich kann nicht begreifen, wie sie das ohne Schwanz aushält. Unsere sogenannten "Regiebesprechungen" finden zwar immer auf meinem Hotelbett statt, aber sie bleibt völlig angekleidet bis zu den langen Stiefeln, und es dauert jedesmal eine Ewigkeit, bis ich ihr an den Arsch oder zwischen die Schenkel fassen kann. Ausserdem ist sie nicht nur dumm und völlig untalentiert, sondern auch noch hartnäckig und unbelehrbar. In jedem Fall muss ich erst einmal nach Hollywood, den doofen Film [Schizoid] für [Menahem] Golan drehen. Inzwischen habe ich die ganze Gage im voraus weg und muss wohl oder übel die widerliche Pille schlucken. Da ist auch noch so ein anderer amerikanischer Mist [Love and money], mit Ornella Muti als meiner Frau und James Toback als Regisseur. Aber Jimmy schleppt wenigstens die Mädchen für mich an.

Quelle: 1991 Klaus Kinski Buch Ich brauche Liebe S. 393

November - Dezember 1979: Dreharbeiten für den Film La femme enfant in Nordfrankreich.

Zurück nach Paris für Kind-Frau [La femme enfant].

Es gibt, glaube ich, keine gemeinere, selbstmörderischere Gegend in Frankreich als die, welche diese Regisseur-Zicke für den Film ausgesucht hat. Richtung Belgien. Brutal und hinterlistig, und jetzt, November / Dezember, auch noch grau und kahl, eisiger Matsch, Nebel, Glatteis und Schnee.

Das Hotel ist die Imitation eines Schlösschens aus dem 17. Jahrhundert, in dem Tag und Nacht gebaut wird und in dem wir tagsüber auch noch drehen. Bohrmaschinen, Hämmer, Sägen, Traktoren, Geschrei, giftiger Staub und der Gestank von Tünche - Tag und Nacht. Die angeblich "türkischen" Luxusbäder mit riesigen runden Badewannen aus Plastik, in denen man ohne weiteres ersaufen würde, funktionieren folgendermassen: Wenn man die Spülung auf dem Klo zieht, kommt Scheisse und Pisse aus dem Abfluss der Badewanne hoch. Dreht man den Kaltwasserhahn auf, kommt kochendheisses Wasser, das nach Scheisse stinkt, und so fort. Wie in den Filmen von Laurel und Hardy. Dieses sogenannte "Luxusschlösschen" wird von Parisern für Wochenenden mit ihren Huren als Bordell benutzt. Jedoch nicht nur, weil ich in dieser Kloake überschnappen würde - vor allem deswegen fahre ich jeden Tag die 200 km hin und zurück, damit ich in Paris bin, falls Minhoï plötzlich für den Abend Nanhoï zu mir an den Quai Bourbon kommen lässt.

Die Dreharbeiten sind eine einzige Schlacht gegen Unfähigkeit und aggressive Aufsässigkeit von seiten der Regie-Zicke und einem Stümper von Kameramann - die in ihrer Unfähigkeit fest zusammenkleben.

Weihnachten wird mein schönstes aller Weihnachten, weil ich über mehrere Tage ausschliesslich und allein mit meinem Liebling zusammen bin. Ich schmücke nächtelang den Weihnachtsbaum. Es soll der schönste Weihnachtsbaum werden, den ich mir selbst als kleiner Junge wünschen konnte. Ich kaufe Berge aller Süssigkeiten, die mein Schleckermäulchen so gerne isst. Und Berge von Spielsachen, eine Eisenbahn, bunte Bälle, ein Fahrrad, ein Indianerzelt, Spieluhren, Schiffchen und Boote für die Badewanne, ein Segelschiff, ein SChaukelpferd, Glasmurmeln, Bilderbücher, Buntstifte, ein Flugzeug, ein Tretauto, einen Roller und viele kleine Spielautos, vom Rennwagen bis zum Rolls Royce. Wir gehen überhaupt nicht aus dem Haus. Draussen ist es unerbittlich kalt und freudlos. Wir aber liegen auf dem mit Moquette ausgelegten Fussboden und spielen, spielen, spielen, spielen, spielen - bis wir, vom vielen Spielen erschöpft, im Indianerzelt einschlafen. Und wenn wir aufwachen, dann spielen wir weiter. Kann man glücklicher sein?

Quelle: 1991 Klaus Kinski Buch Ich brauche Liebe S. 400-401