Domenica Niehoff

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country de.gif Deutsche Ex-Hure ; geboren 3. August 1945 in Köln, gestorben 12. Februar 2009 in Hamburg-Altona

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Domenicas 115 cm-Dekolleté ziert die Vorderseiten der 7" single Bum bum und der 12" single Bum bum der Gruppe Trio

Domenica Niehoff wurde kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs im zerstörten Köln als Tochter eines gewalttätigen Mannes geboren. Ihre Mutter floh später mit den Kindern aus dieser Ehe und ernährte sie mit Betrügereien, bis sie verhaftet wurde. So wuchsen die Kinder in einem katholischen Waisenhaus auf und Domenica lernte den Beruf einer Buchhalterin. Doch noch bevor sie volljährig war, lernte sie ihren späteren Ehemann kennen, einen Bordellbesitzer. Sie war 27, als er sich erschoss und sie selbst 1973 ins "Milieu" einstieg. Im Hamburger "Palais d'Amour" und in der Herbertstrasse arbeitete sie zunächst als Prostituierte, wo sie ihren üppigen Körper auch im Schaufenster zeigte; später betrieb sie ein eigenes Studio als Domina.

Im März 1979 lichtete der tschechische Fotograf Andrej Reiser Domenica schwarzweiss in Arbeitskleidung auf dem Kiez ab, die Fotografien erschienen im erfolgreichen Buch Domenica und die Herbertstrasse beim Eichborn-Verlag.

Besonders in den 1980er Jahren genoss Domenica als Aushängeschild der Hurenemanzipation eine erstaunliche Medienpräsenz. Der Schriftsteller Wolf Wondratschek schrieb über sie (""Wenn sie mit dem Hintern wackelt, fliessen die Flüsse bergauf"), 1980 trat sie im Film Messalina, Kaiserin und Hure auf, der Eichborn Verlag veröffentlichte ein erfolgreiches Buch über sie, ihr ausladendes 115 oder gar 122 cm-Dekolleté zierte die Hülle der Trio-Single Bum bum (1983) und sie war auch in der weiblichen Hauptrolle des zugehörigen Musikvideos zu sehen.

1990 beendete sie ihre Karriere las Hure und setzte sich in der Folge für soziale Projekte für Prostituierte ein. 1991 arbeitete sie als Sozialarbeiterin in der Drogenberatungsstelle Drosselstrasse in Barmbeck. Als Mitbegründerin des Hamburger Hilfsprojekts Ragazza e. V. warb sie in Schwatzsendungen im Fernsehen nicht nur für gesellschaftliche Anerkennung, sondern auch dafür, den Berufsstand zu legalisieren. Gleichzeitig nahm sie dem "Milieu" mit ihrer trockenen und ehrlichen Beschreibung der Kiez-Wirklichkeit jenen verruchten Glanz, dem sie ihren eigenen gesellschaftlichen Aufstieg verdankte. 1992 veröffentlichte sie eine Single, Alle meine Freier (Hiessen alle Meier), geschrieben von Franziska Menke (ex-Frl. Menke) und Harry Gutowski.

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Körper mit Seele

1993 war Domenica hinreichend bekannt, um in Peter Kerns Film Domenica sich selbst zu spielen und im folgenden Jahr ihre Autobiographie Körper mit Seele zu veröffentlichen, die allerdings von einem Ghostwriter geschrieben worden war. Im August 1996 nannte sie diese Biographie in einem Interview schlicht "beschissen". Domenica: "Ich habe ja nicht mal das Manuskript vorher lesen dürfen. Nach dem faulen Ei muss ich nochmal was Richtiges machen."

Beim Deutschlandbesuch von Papst Johannes Paul II. im Juni 1996 sprach "Gegenpäpstin" Domenica Niehoff an einem lesbisch-schwulen Stadtfest in Berlin den Transvestiten Charlotte von Mahlsdorf "heilig". Gleichzeitig propagierte "Ihro Dreistigkeit" die gleichgeschlechtliche Sexualität als "kirchlich gebilligte Methode der Schwangerschaftsverhütung". 1997 servierte sie im Hamburger Restaurant "Nil" zusammen mit anderen Prominenten ein Grühnkohl-Essen zugunsten des AIDS-Hilfe-Projekts "Hamburg Leuchtfeuer", war in Dagobert Lindlaus' Theaterstück St. Pauli Saga zu sehen, unterstützte das Kinderheim "Haus Nazareth der Armen Kinder Jesu", engagierte sich weiterhin in der Prostituierten- und AIDS-Hilfe und hielt dafür auch Lesungen.

Im Dezember 1997 gab Domenica dann ihren Job als "Strassensozialarbeiterin" beim Projekt Ragazza auf. "Ich halte das nicht mehr aus", sagte die 52jährige, die sich vor allem um drogenabhängige Mädchen gekümmert hatte. "Mir sind mehr als ein halbes Dutzend Mädchen weggestorben: An einer Überdosis Gift, an AIDS, und eine wurde ermordet. Das hält man vielleicht als 35-Jährige aus, aber nicht mehr mit meinen 52 Jahren." Anfang 1998 kaufte sie die Hamburger Hafenkneipe "Fick" am Fischmarkt und taufte sie in "Domenica" um. Zudem eröffnete sie als Partnerschaftsberaterin den Neuen Partnerclub / NPC mit dem Motto "Niemand muss allein sein - es kommt darauf an, mitzumachen!" - für 20 DM im Monat war man dabei. Immer Mittwochs sass Domenica persönlich am Telefon und beriet in Partnerfragen aller Art. Der Club vertrieb im übrigen auch allerlei Spielzeug, Bücher, Magazine und sonstige Hilfsmittel... Am 10. Februar 1999 wurde auf RTL der Fernsehfilm Hurenstreik (Eine Liebe auf St. Pauli) ausgestrahlt, in dem Domenica einmal mehr sich selbst spielte. Bereits im Jahr 2000 musste sie ihre Kneipe wegen finanzieller Schwierigkeiten wieder schliessen und schaltete stattdessen Kleinanzeigen für Telefonsex ("Kein Vorspiel - direkt zur Sache").

2001 starb ihr Bruder Amando, von ihm erbte sie ein Haus im kleinen Dorf Boos in der Eifel, wohin sie 2003 umzog und erfolglos versuchte, Zimmer zu vermieten. Schliesslich verkaufte sie das Haus für unter 100'000 Euro und zog im Mai 2008 wieder zurück nach Hamburg: "In Boos war das so langweilig, ich hab nur gekocht, gefuttert, gekocht, gefuttert. Ehrlich, ich bin da völlig vereinsamt." Mit 20 Kilo mehr auf den Rippen lebt sie jetzt in einer 50 Quadratmeter grossen Zwei-Zimmer-Wohnung. "Ich paffe zwei Schachteln am Tag, hab Diabetes und hab's mit den Bronchien. Egal, Hauptsache ich bin wieder zu Hause. Hier auf’m Kiez bleibe ich jetzt für immer! Mein Rentnersitz. Ich hab einen schönen Wintergarten und gucke direkt auf die 'Juwelengasse'", lachte sieund meinte die Schmuckstrasse, dort ist der Transenstrich.

Am 12. Februar 2009 um 10 Uhr 44 starb Domenica im Hamburger Krankenhaus Altona an einem Lungenleiden.

Bibliographie

Jahr Autor Medium Titel Herausgeber Anmerkungen
1994 Domenica Buch Körper mit Seele (Mein Leben) country de.gif München : Knaur Aufgezeichnet von Hans Eppendorfer
280 S. : Ill. ; 19 cm
1996.08.24 Barbara Lukesch Zeitschrift Das Magazin country de.gif Zürich Gespräch zwischen den beiden ehemaligen Prostituierten Domenica Niehoff und Brigitte Obrist zum Thema "Prostitution und Ausstieg"

Diskographie

Jahr Interpret Medium Titel Plattenfirma Anmerkungen
1992 Domenica CD single Alle meine Freier (hiessen alle Meier) country de.gif DE: Metronome 865 946-7
Alle meine Freier (hiessen alle Meier) [Quickie-Version] / Alle meine Freier (hiessen alle Meier) [Extended Freier Version] / Alle meine Freier (hiessen alle Meier) [Do-it-yourself-Version]
1992 verschiedene Interpreten CD Das Herz von St. Pauli country de.gif DE: Metronome 513 176-2 EAN: 0731451317620
auch als LP
Alle meine Freier (hiessen alle Meier)
2006.03 verschiedene Interpreten CD Grosse Freiheit (Lieder und Geschichten aus St. Pauli) country de.gif DE: Patmos ISBN 3491911524, ISBN 978-3491911529
Onkel Rita [Live-Interview] ~ Alle meine Freier / Lou und Hannchen [Live-Interview] / Marzipanschweinchen [Live-Interview] ~ Alle meine Freier / Nacharbeiten [Live-Interview] ~ Alle meine Freier / Chicago-Sturm [Live-Interview] / Die erste Beerdigung [Live-Interview]

Filmographie

Jahr Titel Anmerkungen
1972 Poppea, una prostituta al servizio dell'impero auch unter dem Titel Poppea, la puttana di Roma
1981 Desperado City
1983 Babystrich im Sperrbezirk
1983 Bum bum Trio-Videoclip
1985 Rosemary's Hochzeit TV
1987 Taxi nach Kairo
1993 Domenica Cine Images / Corazon Film / Lisa Film. - Regie: Peter Kern
1994 Fernes Land Pa-isch Regie: Rainer Simon
1997 Moritz Kowalsky (Die verschwundene Nachtigall) TV-Serie
1999 Hurenstreik (Eine Liebe auf St. Pauli) TV
2002 Der Boxprinz
2007.05.22 Menschen bei Maischberger TV

Galerie

Weblinks