1995.06.30 Volksblatt (Tageszeitung für Unterfranken) "Songs aus brennenden Stadtparks"

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Autor JFI
Veröffentlichung 1995.06.30 country de.gif Volksblatt (Tageszeitung für Unterfranken)

Songs aus brennenden Stadtparks

Stiller Has im Autonomen Kulturzentrum

Würzburg (JFI). - Letzter Abend der AKW-"Volxplosion"-Reihe vor der Sommerpause. Ein Sänger und ein Instrumentalist bannten ein überschaubares Publikum restlos.

Endo Anaconda und Balts Nill fuhren aus der Schweiz aus zur Bewährungsprobe, müssen sich wieder an kleine Säle gewöhnen und die Gäste mit dem Elan der eigenen Anfangszeit überzeugen. Und ihr Schwyzerdütsch in den Ansagen verdolmetschen. Das tut der 40jährige Performer und Selbstconferencier immer wieder so, dass man glaubt, längst mitten im Stück zu sein.

Balts Nill am teils gebastelten Percussionsatz, am Zupfinstrument, oft an beiden zugleich, präludiert schon stramm dazu. Dann aber dreht der Stille Has auf. Unsereins versteht noch Fetzen aus der Übersetzung, jetzt im kehligen Slang. Nach der Intro-Performance über den Namenspatron geben die frischgebackenen Träger des Kabarettpreises "Salzburger Stier" den "Ländjäger": Ein Bube schlägt aus der Art seiner Familie (der Onkel in der Bank: "Können Sie mir auf neun Millimeter rausgeben?") und geht zur Gendarmerie. Endo gerät im Refrain aus Balts' Takt, hat sich zu sehr in Rausch gesungen. Aber das macht nichts. Der ganze lange Abend sonst steht unter striktester Hochmusikalität.

Eine bittere, scharfbittere, lachhafte, lustige Welt blättert der massige Sänger da auf. Die Hoffnung wurde alt: "Elvira, wo ist mein Mao-Buch?" Flucht? Ja: "Intercity, bitte nimm mich mit zum Mississippi, i bitt di!" Weit führt das auch nicht. Am Bahnhof träumt sich wer in die Ferne - beim Warten auf den Lokalbus. Der Stille Has hat's wenig besser, sondern das Fliegen als Hastronaut satt. Doch das All ist überall und lässt nur Raum für Sehnsucht nach dem Emmental.

Zu bizarrer Musikmelange trieb sich das Duo in die weltanschauliche Ausweglosigkeit: "Heimatlieder ohne Heimat", so genau traf kein Konzert der Serie die Essenz. Zwei Berner entzündeten die endgültige Volxplosion.